die Existenz von Zahlen und geometrischen Formen zu erbringen.
Luc machte seinen Postdoc an der Université Claude Bernard Lyon 1 und war daran zu beweisen, dass Zahlen und geometrische Figuren jenseits des menschlichen Bewusstseins eine Existenz führten, also in einem gewissen Sinne eigenständig waren. Man nannte diese Theorie in der Mathematik Platonismus und Luc hatte das starke Gefühl, dass er die Theorie demnächst hieb und stichfest beweisen konnte. Falls ihm das gelingen würde, so würde er zumindest in der Mathematik dem Konzeptualismus und dem Nominalismus den Grund unter den Füssen wegreissen. Das liess ihm das Wasser im Mund zusammen laufen. Da war ein lärmendes Schutzblech einfach unwichtig.
Er fuhr sein Fahrrad in einen Fahrradkeller der Universität, die als eine der grössten Frankreichs mit rund 28‘000 Studenten galt. Dann marschierte er ins mathematische Institut, wo er sich an einem Computer niederliess, um den endgültigen Beweis seiner Annahmen heute endlich heim zu fahren , wie er das nannte.
In seinem Posteingang auf dem Computer war der neuste Newsletter der Mensa France, die wie alle Mensa Organisationen der Welt nur Mitglieder zuliess, die im Bezug auf IQ-Höhe zu den Top zwei Prozent der Weltbevölkerung gehörten. Luc war seit fünf Jahren Mitglied und hatte dem Newsletter schon einige originelle Ideen entnommen. Es gab heute aber nur einen kleinen Beitrag in dem Newsletter, der ihn reizte.
Luc sichtete die anderen Nachrichten, die in der Inbox waren, und machte sich dann - guten Gewissens, dass nichts Dringenderes auf ihn wartete - daran den interessanten Beitrag im Newsletter genauer zu lesen. Es ging um einen Job.
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[email protected] Das Erste, das Luc durch den Kopf ging, nachdem er die Annonce gelesen hatte, war: Das bin ich. F&E, das stand für Forschung und Entwicklung, das war genau seine Domäne. Er las das Inserat noch einmal. Konnte das sein? Bei jedem einzelnen Punkt dieses Inserats musste er Ja sagen. Ja, das bin ich, oder: Ja, das kann ich. Gab es so etwas? Er hatte sogar einen Hund zuhause, obwohl ihn seine Familie für verrückt erklärt hatte. Du wohnst alleine und bist ständig an der Uni; es ist nicht gut für einen Hund, so viel alleine zu sein!, hatte seine Mutter ihm wiederholt gesagt. Er hatte sich trotzdem einen Hund zugetan. Seine Freundin Danielle ging jeweils mit ihm raus, wenn Luc zu viel Zeit in der Uni verbringen musste. Der Hund war der Garant dafür, dass er täglich in die Natur ging, sonst hätte er seine Füsse noch weniger gebraucht, weil ihn das Denken und die Kopfarbeit so sehr begeisterten, dass er sich sonst kaum noch bewegt hätte. Für‘s Gassi gehen musste man sich Gott sei Dank bewegen.
Lucs Arbeit am Institut würde sich im Sommer dem Ende zu neigen. Er musste einen Job suchen, und als Mathematiker eine Arbeit zu finden, war alles andere als einfach. Es war ein wenig wie bei den Musikern oder Künstlern: man wusste, dass man nie Grossverdiener werden würde und dass die Arbeitsplätze limitiert waren und entschied sich trotzdem für eine Ausbildung in der Sache, die man liebte. Ganz unter dem Motto: lieber arm und glücklich als reich und unglücklich. Die Sache in dem Inserat tönte zu gut, als dass er sie einfach hätte