Der letzte Aufstand
aufschieben können. Ein Unternehmen mit einem Umsatz von 58 Milliarden Euro, das musste ein Gigant sein. Und wer wollte schon nicht für einen grossen Player in der Privatwirtschaft arbeiten? Luc öffnete kurz seinen Browser, um herauszufinden welche Firmen in Frankreich solch einen Umsatz erzielten. Kurz darauf wusste er, dass es mehrere Firmen gab, die in Frage kamen und Geld in dieser Höhe umsetzten: Auchan, BNP oder France Télécom und etliche andere Firmen, die weltweit operierten, sowie Johnson & Johnson, Dell oder PepsiCo.
Dann war der Entschluss definitiv gefallen. Luc machte einige kleine Verbesserungen an seinem Lebenslauf und fügte ein aktuelles Foto vom Uniserver in den Lebenslauf ein. Das Foto war kein Jahr alt, das müsste gehen, sagte er sich. Dann holte er sein I-Phone hervor und lud ein Bild seines Hundes, das er gerade gestern im Wald geschossen hatte, auf den Rechner hoch. Sein Border Collie Flying Shark war so fotogen, dass er alleine wegen seines Hundes den Job kriegen sollte, sprach er zu sich selbst. Alles zusammen wurde in eine Email verpackt, dann schrieb er einen kurzen Begleittext und drückte auf Senden .
In seiner Fantasie sah Luc sich bereits als leitenden Wissenschaftler einer mathematischen Abteilung in einem Superkonzern, wo er höchstphilosophische Themen mathematisch aufarbeiten musste. Er holte sich in der kleinen Teeküche einen Kaffee. Ja, Fantasie hatte er wirklich, musste er sich selbst bestätigen. Da traf das Inserat den Nagel bei ihm auf den Kopf.
Während er den dampfenden Kaffee in die heisse vorgewärmte Tasse goss, fragte Luc sich, wieso eine Organisation wie die Mensa plötzlich Jobangebote in ihren Newsletter packte. Das war ihm noch nie aufgefallen, dass man dort für den Privatsektor rekrutierte. Vielleicht höchstens mal, wenn eine lokale Position bei der Mensa selbst zu besetzen war, gab es eigentlich solche Inserate. Eigenartig, dachte Luc. Aber mit Geld ist alles zu machen, kommentierte er seine eigenen Gedanken.
Er nahm den Kaffee aus der Kaffeemaschine und wollte gerade wieder an seinen Arbeitsplatz, um die Simulation der mathematischen Formel, die er gestern gestartet hatte zu überprüfen, als sein Handy klingelte.
Es war Danielle. Ihr Foto leuchtete auf dem Display auf.
„Guten Morgen, meine Schönste, was gibt‘s?“, nahm er den Anruf entgegen.
„Es hat kein Hundefutter mehr. Ich stehe im Supermarkt und versuche mich gerade krampfhaft daran zu erinnern, was du deinem Superhund fütterst. Waren es Cornflakes oder Dinkelflakes?“, tönte Danielles freche Stimme durch das Handy.
„Keine Flakes, du Nudel! Er isst nur frischen Truthahn mit ein wenig Haferflocken und Milch. Geh zum Metzger und sag ihm, dass du die tägliche Ration für Flying Shark brauchst! Er wird dann schon wissen, um was es sich handelt ...“
„Also keine Cornflakes?“
„Keine Cornflakes! Er ist ein Hund! Warst Du schon mit ihm draussen?“
„Klar! Wir haben zusammen ein Loch gegraben und dann sind wir glücklich wieder nach Hause gegangen. Maus, ich habe nicht viel Zeit, hab nur wegen den Cornflakes angerufen. Ich muss mich beeilen, weil wir heute eine Studie in einer alten Kirche auf dem Land durchführen; da spukt es anscheinend und ich muss pünktlich dort sein. Also ich lege jetzt wieder auf, kaufe deinem Hund einen Truthahn und dann sehen wir uns abends, ja?“
„Sicher!“, sagte Luc. Dann legte er schmunzelnd auf.
Den Rest des Tages verbrachte er entweder in der Bibliothek, weil es der einzige Ort war, wo man ruhig und ungestört arbeiten konnte, oder in Gesprächen mit irgendwelchen Studenten, denen er einschlägige Probleme erklären musste oder denen er bei irgendeiner Seminararbeit helfen musste. Seinen Arbeitsplatz, wo sein Computer seelenruhig die Formel in einem virtuellen Raum simulierte, wodurch Luc den Beweis für die unabhängige Existenz von Zahlen erbringen wollte, konnte er nur über Mittag noch einmal aufsuchen. Doch der Rechner war noch am Simulieren.
Luc war ein gesuchter Mann, weil er mathematische Zusammenhänge so gut erklären konnte. Ja, viele Studenten waren der Meinung er täte das besser als die meisten Professoren, aber der Preis für dieses Kompliment war eben, dass er Stunden damit zubrachte den jüngeren Semestern höhere Mathematik beizubringen.
Als Luc gegen fünf Uhr fertig war und seinen Arbeitsplatz noch einmal aufsuchte, sah er, dass der Computer immer noch am Rechnen war. Die Simulation zu berechnen brauchte mehr Zeit,
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