Der letzte Befehl
al-Fanudahi wenigstens zu, wenn er sie das wissen ließ, was er ihnen schon die ganze Zeit hatte erklären wollen. Und deswegen empfand Teague diese Mischung aus Zorn und Verzweiflung, mit der er ihr Büro betreten hatte, sehr bedenklich.
»Meinst du, jetzt kannst du mir erzählen, was los ist?«, fragte sie ihren Kollegen sanft.
»Schätze schon«, erwiderte er und nahm noch einen Schluck. Dann stellte er die Tasse ab und blickte Irene an.
»Was haben sie denn diesmal angestellt?«, versuchte sie das Gespräch zu eröffnen.
»Es geht eigentlich weniger darum, was sie angestellt haben, als vielmehr darum, was sie jetzt tun wollen . Die stacheln sich da gegenseitig an«, erklärte er und schüttelte den Kopf. »Die sind zu dem Schluss gekommen, das, was den Mantys da gerade passiert ist, sei für sie der perfekte Einstieg. Ich glaube, die wollen das ausnutzen.«
»Was?« Teague klang, als glaube sie sich verhört zu haben. Al-Fanudahi stieß ein raues Schnauben aus.
»Ich hatte gerade eine Besprechung mit Kingsford, Jennings und Bernard«, erklärte er. »Die befassen sich mit einer Schnapsidee, die sich Rajampet ausgedacht hat.«
Teagues Magen krampfte sich zusammen. Admiral Willis Jennings war Seth Kingsfords Stabschef, und Flottenadmiral Evangeline Bernard war die Leiterin des Strategie- und Planungsamtes der Solarian League Navy. Unter gewöhnlicheren Umständen hätte die Vorstellung durchaus etwas für sich, der Oberkommandierende setze sich mit seinem Stabschef und der wichtigsten Strategin der Navy zusammen, um über die Implikationen der jüngsten Gefechtsberichte zu diskutieren. Doch da die Umstände im Augenblick alles andere als gewöhnlich waren und da al-Fanudahi ganz offenkundig kurz davor stand zu verzweifeln, vermutete Teague, dass es dieses Mal alles andere als gut verlaufen war. Na ja, vielleicht liegt es ja auch daran, dass er das Wort ›Schnapsidee‹ verwendet hat , ging es ihr durch den Kopf.
»Was für eine Schnapsidee?«, fragte sie dann.
»Rajampet ist der Ansicht, das, was im Heimatsystem der Mantys geschehen ist, stelle eine ›strategische Gelegenheit‹ dar. Er möchte umgehend ein Unternehmen starten, um diese Gelegenheit zu nutzen. Und er schlägt vor, Admiral Filareta damit zu beauftragen.«
»Filareta?«, wiederholte Teague verständnislos, und al-Fanudahi zuckte mit den Schultern.
»Der gehört zur Schlachtflotte, also wirst du ihn wohl kaum kennen. Glaub mir, da hast du auch nicht viel verpasst. Er ist klüger als Crandall ... war. Ja, ich würde sogar wetten, dass sein IQ mindestens bei seiner Schuhgröße liegt! Abgesehen davon ist das Einzige, was ihm Führungsqualitäten verschafft, die Tatsache, dass er noch atmet.«
Dass al-Fanudahi es wagte, so offen seine Verachtung für einen derart ranghohen Offizier auszudrücken, war ein echtes Zeichen dafür, wie sehr er ihr mittlerweile vertraute, das wusste Teague.
»Und wieso denkt Admiral Rajampet, dieser Filareta könne irgendetwas bewirken?«
»Aus irgendeinem Grund – den vermutlich nur Gott selbst kennt, und vielleicht auch Admiral Kingsford – treibt sich Filareta in der Schale herum, auf halber Strecke zu Manticore. Und seine Einheit ist noch größer als das, womit Crandall angerückt war.«
Teague schaute al-Fanudahi scharf an, und er erwiderte den Blick mit sorgsam ausdrucksloser Miene.
»Und was genau macht dieser Admiral Filareta in der Schale?«, fragte sie nach.
»Zufälligerweise hält er dort ebenfalls gerade Übungen ab.« al-Fanudahis Lächeln barg keine Spur von Belustigung. »Es könnte dich interessieren – ich habe das aus reiner Neugier einmal nachgeschaut –, dass die Schlachtflotte im Laufe der letzten dreißig T-Jahre in derart abgelegenen Regionen wie der Schale ganz genau drei Übungen abgehalten hat, an der mehr als fünfzig Wallschiffe beteiligt waren. Aber aus irgendeinem Grund ist es dieses Jahr ein bisschen anders: Crandall wurden Übungen im Madras-Sektor genehmigt, und gleichzeitig hat man Flottenadmiral Massimo Filareta ›Planspiele‹ im Tasmania-Sektor gestattet. Und anders als bei Crandall ist Filaretas Übung als – ich zitiere – ›größeres Flottenmanöver‹ eingestuft. Deswegen steht er jetzt mit dreihundert Wallschiffen vor Tasmania, von den zugehörigen Abschirmverbänden ganz zu schweigen. Rajampet möchte ihn mit siebzig oder achtzig weiteren Wallschiffen unterstützen, die ›rein zufällig‹ zu verschiedenen Sektorenbasen verlegt wurden, allesamt nur wenige
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