Der letzte Befehl
Vorkriegs-Korrespondenz widmen müssten. Pritchart rechnete nicht damit, dass McGwire oder Younger plötzlich mehr Kooperationsbereitschaft an den Tag legen würden, sobald es so weit war. Um nicht ganz ungerecht zu sein (was ihr in Bezug auf diese beiden Personen zugegebenermaßen immens schwerfiel), wusste keiner der beiden, dass Giancola fragliche Korrespondenzen manipuliert hatte. (Und falls sie es doch wussten, hatten sie ihre Rolle bei Giancolas gänzlich widerrechtlichen Mätzchen so gut verborgen gehalten, dass Kevin Ushers beste Ermittler nichts darüber entdeckt hatten.) Bislang hatte Pritchart immer noch nicht gewagt, ihnen zu erklären, ihr eigener damaliger Außenminister – ihr engster politischer Verbündeter – hätte gegen seinen Amtseid verstoßen und die diplomatische Korrespondenz des Sternenimperiums manipuliert ... ganz genau so, wie Manticore das schon die ganze Zeit über behauptet hatte.
Könnte sie den beiden wenigstens ansatzweise trauen, dann hätte sie schon vor langer Zeit in Erwägung gezogen, die beiden einzuweihen. Aber nun würde sie das tun müssen , obwohl sie auf deren Integrität wahrhaftig nicht baute. Und sie scheute sich immens davor, eine derartige Waffe in die Hände von zwei Männern zu geben, die keinen Augenblick lang zögern würden, sie zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen, ganz egal, welche Konsequenzen das für die Republik und den Friedensprozess nach sich ziehen mochte.
Na ja, Eloise , dachte sie scharf, es ist ja nun nicht so, als hättest du nicht genau gewusst, dass das irgendwann kommen würde, oder? Genau deswegen hast du den beiden doch Thomas auf den Hals gehetzt – damit sie begreifen, dass die Situation für uns alle viel zu prekär ist, als dass man damit irgendwelche persönlichen Machtspielchen veranstalten könnte. Jetzt, nach den Geschehnissen im Spindle-System sollten die beiden endlich genau das begreifen, was sie nach der Schlacht von Manticore noch nicht eingesehen haben! Ehrlich gesagt würde ich mir wirklich wünschen, Alexander-Harrington würde die beiden einfach erwürgen! Das könnte sie bestimmt schaffen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten – und ich würde ihr sofort ein Amnestieschreiben der Präsidentin abfassen. Am liebsten geschrieben mit dem Blut der beiden! Außerdem genießt sie doch ohnehin diplomatische Immunität, wo ich’s jetzt recht bedenke. Sie bräuchte dieses Amnestieschreiben nicht einmal!
»Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für meinen Anruf nehmen, Madame Präsidentin«, erklärte Alexander-Harrington. »Ich weiß, wie eng Ihr Terminplan ist.«
»Gern geschehen, Admiral.« Pritchart grinste schief. »Es gibt auf Haven nicht allzu viele, die Ihnen gegenüber Vorrang genießen, was meinen Terminplan angeht. Außerdem sind unsere Gespräche immer so ... interessant.«
Alexander-Harrington erwiderte ihr Lächeln, doch es wirkte oberflächlich und flüchtig, ohne die aufrichtige Belustigung, die Pritchart von der Manticoranerin kannte. Sofort schrillten bei ihr innerlich sämtliche Alarmglocken.
»Leider wird dieses Gespräch recht kurz ausfallen«, sagte Alexander-Harrington.
»Ach ja?«, fragte Pritchart unverkennbar beunruhigt nach.
»Ja.« Kurz hielt Alexander-Harrington inne, dann atmete sie tief durch, als müsse sie ihren Mut zusammennehmen. Pritcharts Beunruhigung stieg schlagartig an. In ihrem ganzen Leben hatte sie kaum jemanden kennen gelernt, der weniger zu Zögerlichkeit neigte als Honor Alexander-Harrington. Und doch war ihre Gesprächspartnerin alles andere als glücklich über das, was sie offenkundig sagen wollte. Ja, je länger Pritchart darüber nachdachte, umso mehr hatte sie den Eindruck, die Manticoranerin wirke regelrecht verstört.
»Madame Präsidentin, wir werden unsere Verhandlungen aussetzen müssen, zumindest vorerst.«
»Wie bitte?« Pritchart hatte das Gefühl, ihr Magen sinke ins Bodenlose, als sich so unvermittelt tatsächlich das lang erwartete Problem zu Wort meldete. Regelrechte Panik durchzuckte sie. Wenn die Verhandlungen scheiterten, wenn Manticore die Kampfhandlungen wieder aufnahm ...
»Ich versichere Ihnen, dass das nichts mit den bisherigen Ereignissen am Verhandlungstisch zu tun hat«, fuhr Alexander-Harrington fort, beinahe als hätte sie Pritcharts Gedanken gelesen. »Ich hoffe, dass wir die Verhandlungen schon bald wiederaufnehmen können. Aber vorerst wurde ich leider in die Heimat abberufen.«
»Ich verstehe«, entgegnete Pritchart, obwohl das nun ganz
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