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Der letzte Befehl

Titel: Der letzte Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Geschwindigkeit abbaute. Nimitz hatte wieder seinen üblichen Platz auf der Rückenlehne des Kommandosessels eingenommen, doch dieses Mal lag er nicht gelassen ausgestreckt dort wie sonst. Stattdessen kauerte er aufrecht, jeden Muskel angespannt, und starrte gemeinsam mit seiner Person auf den Bildschirm. Die beiden hätten aus Stein gemeißelt sein können, und auf der Brücke herrschte völlige Stille.
    Honors Miene wirkte ruhig, beinahe gelassen, doch in ihrem Inneren tobte dort, wo eigentlich Gedanken und Gefühle hätten leben müssen, nur eine gewaltige, tosende Stille, so leer wie das Vakuum des Alls, das ihr Flaggschiff gerade durchquerte.
    Mittlerweile brauchte sie gar nicht mehr auf den Plot zu starren. Die Icons hatten ihr bereits verraten, wie sehr selbst ihre schlimmsten Befürchtungen nicht einmal ansatzweise der Realität nahegekommen waren. Im Raumabschnitt zwischen den beiden besiedelten Planeten des Systems wimmelte es vor Schiffsverkehr; es ließen sich ungleich mehr Impellersignaturen orten, als normalerweise in der Nähe eines Planeten geduldet worden wären. Als die Achte Flotte zum Haven-System aufgebrochen war, hatte man diese Vorschriften auch noch streng eingehalten. Doch die Anwesenheit dieser zahllosen Schiffe war mitnichten ein Beweis dafür, dass Honor sich alles zu düster ausgemalt hatte. Diese vielen Schiffe zeigten nicht, dass der Schaden deutlich geringer ausgefallen war als befürchtet. Nein, diese Schiffe bewiesen, dass es sogar noch viel, viel schlimmer war. Immer noch waren nicht sämtliche Trümmer abgesucht, obwohl der Angriff bereits mehr als zwei Wochen zurücklag. Warnbaken markierten gewaltige Trümmerschwaden – in denen immer noch zahllose Leichen treiben mussten. Es waren die Trümmer dessen, was einst das Herzstück der Industrie des ganzen Sternenimperiums von Manticore gewesen war.
    Sonderbar , flüsterte eine Stimme in Honors Hinterkopf. Auch nach der Schlacht von Manticore hat es Trümmer gegeben, aber doch nicht so! Oh nein! Nicht so. Dieses Mal war jedes einzelne Kampfschiff, das wir verloren haben, angedockt . Es wurde nicht im Gefecht zerstört. Und bei den meisten Toten handelt es sich dieses Mal um Zivilisten.
    Honor hatte das Gefühl, unendlich versagt zu haben. Das Gefühl durchströmte sie mit der unaufhaltsamen Geduld und der Gewalt eines Ozeans, und es brachte Scham mit sich. Es war ein düsteres Schuldgefühl, beißend wie Vitriol, denn Honor hatte den heiligen Eid gebrochen, den sie im Alter von gerade einmal siebzehn T-Jahren abgelegt hatte. Einen Eid, den sie seitdem all die Jahre in Ehren gehalten hatte – mit einer unerschütterlichen Treue, die dieses Scheitern nur umso schlimmer machte. Vor all den Jahren war sie in den Dienst der Navy eingetreten, um genau das zu verhindern, was hier geschehen war. Das hier waren die Trümmer ihrer Sternnation, das waren die Leichen ihrer Zivilisten, und das alles war das Werk von Feinden, die sie hätte aufhalten sollen, lange bevor sie nahe genug kamen, um hier Tod und Verderben zu säen.
    Nimitz stieß einen leisen Protestlaut aus. Honor spürte, wie er sich auf die Echthände stützte, um seine Stirn gegen ihren Nacken legen zu können. Mit dem Teil ihres Gehirns, in dem das Bewusstsein wohnte, wusste sie, dass er recht hatte. Sie war doch noch nicht einmal hier gewesen! Als dieser Angriff wie ein Tsunami durch ihr ganzes Sonnensystem fegte, war sie selbst mehr als ein Lichtjahrhundert weit entfernt gewesen und hatte ihr Bestes gegeben, einen Krieg zu beenden. Dass dieser Wirbelsturm ihr Heimatsystem verwüstet hatte, war doch nicht ihre Schuld.
    Doch so sehr Nimitz auch recht haben mag, er täuscht sich trotzdem , dachte sie grimmig. Nein, sie war nicht hier gewesen. Aber sie war Admiral im Dienste Ihrer Majestät. Sie gehörte zu den ranghöchsten Offizieren der Royal Navy. Sie gehörte zu denjenigen, deren Aufgabe es war, eine Bedrohung zu erkennen und abzuwehren.
    Die Invictus schwenkte in eine Umlaufbahn ein, deutlich weiter von der Oberfläche des Planeten entfernt als sonst, um dem Trümmerfeld auszuweichen, das einst Ihrer Majestät Raumstation Vulcan gewesen war. Honor starrte das Abbild ihrer Heimatwelt an, die so tief unter ihr lag.
    »Entschuldigen Sie, Hoheit«, sagte eine leise Stimme.
    Honor drehte den Kopf zur Seite und sah Lieutenant Commander Harper Brantley, ihren Stabssignaloffizier.
    »Ja, Harper?«
    Es erschien ihr falsch, dass ihre Stimme so sachlich klang, so gewöhnlich, so ...

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