Der letzte Befehl
normal.
»Ein Gespräch für Sie«, erklärte Brantley ihr. »Von der Admiralität, Hoheit«, setzte er hinzu, als Honor fragend eine Augenbraue wölbte. »Es ist als ›persönlich‹ gekennzeichnet.«
»Ich verstehe.« Honor erhob sich, streckte die Arme aus und fing Nimitz auf, der ihr anmutig entgegensprang. »Ich nehme das Gespräch in meinem Besprechungsraum an«, fuhr sie fort und wiegte die ’Katz auf ihren Armen, während sie die Brücke durchquerte.
»Jawohl, Ma’am.«
Honor spürte, dass Waldemar Tümmel ihr hinterherblickte. Ihr junger Flaggleutnant war noch schockierter von den Berichten aus der Heimat als fast alle anderen ihrer Untergebenen. Das mochte daran liegen, dass seine Eltern und zwei seiner vier Geschwister auf Hephaistos gelebt hatten. Ihr Tod war noch nicht offiziell bestätigt – soweit man das an Bord der Invictus wusste, zumindest –, doch Honor hatte in seinen düsteren Emotionen deutlich gespürt, dass er sich keiner falschen Hoffnung hingab. Während der Rückreise nach Manticore, vorbei an Trevors Stern, hatte Honor ihr Bestes getan, ihm irgendwie behilflich zu sein, ihm zumindest ein wenig über die Sorge und die Trauer hinwegzuhelfen. Doch das war ihr nicht gelungen. Schlimmer noch: Honor wusste nicht, ob es ihr nicht gelungen war, weil die Trauer einfach zu tief saß oder weil sie sich in ihrer eigenen Trauer und mit ihrem Schuldgefühl nicht genug Mühe gegeben hatte.
Doch trotz allem erfüllte Tümmel immer noch seine Pflichten. Zum Teil lag das sicherlich daran, dass er aus diesen vertrauten Routinen einen gewissen Trost bezog – es war etwas, woran er sich festhalten konnte, worauf er sich konzentrieren konnte, um nicht ständig an seine Familie denken zu müssen. Doch vor allem tat Tümmel das, weil es nun einmal seine Pflicht war , das wusste Honor. Jetzt spürte sie, wie er sich fragte, ob sie im Besprechungsraum vielleicht seine Hilfe brauchen würde. Honor blickte ihn gerade lange genug an, um kurz den Kopf zu schütteln. Einen Moment lang wirkte seine Miene verständnislos, dann nickte er und ließ sich wieder in seinen Sessel auf der Brücke sinken.
Spencer Hawke hingegen zögerte keinen Sekundenbruchteil. Er folgte seiner Gutsherrin einfach schweigend quer durch die Flaggbrücke und in den Besprechungsraum hinein. Dann lehnte er sich hinter ihr gegen das Schott.
Honor spürte seine Anwesenheit. Eigentlich hätte sie ihn wohl anweisen müssen, draußen vor der Tür zu warten, schließlich hatte Brantley ja gesagt, das Gespräch sei mit einem Sicherheitscode versehen. Im Laufe der Jahre waren Honor derartige Überlegungen schon viele, viele Male durch den Kopf gegangen, doch sie wäre nie auf die Idee gekommen, das bei Andrew LaFollet tatsächlich durchzusetzen. Und sie wusste, dass sie das auch bei Hawke vermutlich niemals tun würde. Er war ein Waffenträger von Grayson, und er würde die Geheimnisse seiner Gutsherrin mit der gleichen eisernen Treue hüten, wie er ihr Leben schützte.
Honor nahm Platz, setzte Nimitz auf den Konferenztisch unmittelbar neben ihrem Arbeitsplatz ab und aktivierte das Display.
»Stellen Sie es durch, Harper«, sagte sie dem Signaloffizier, der sofort auf dem Bildschirm zu sehen war.
»Jawohl, Ma’am«, erwiderte er und verschwand. Fast augenblicklich erschien das Abbild eines Mannes durchschnittlicher Größe mit braunen Haaren und ebensolchen Augen. Er trug die Uniform eines Captain of the List. Honor erkannte ihn sofort.
»Guten Abend, Jackson«, sagte sie.
»Guten Abend, Hoheit«, erwiderte Captain Jackson Fargo leise. »Es freut mich, Sie wiederzusehen, auch wenn ich mir wünschen würde, die Umstände wären anders.«
»Ich weiß.« Kurz lächelte Honor Hamish Alexander-Harringtons Stabschef von Admiralty House zu. »Von den Umständen einmal abgesehen freue ich mich ebenfalls.«
»Ich danke Ihnen, Hoheit.« Fargo deutete eine Verneigung an, dann räusperte er sich. »Der Erste Lord hat mich gebeten, Sie anzurufen. Er befindet sich im Augenblick auf Sphinx. Na ja, genauer gesagt befindet er sich an Bord eines Shuttles, der zufälligerweise genau auf Sie zukommt. Seine ETA beträgt etwa zwölf Minuten, und er hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, er würde gern an Bord Ihres Flaggschiffes kommen, wenn Ihnen das recht wäre.«
Ein kurzer Funke der Freude durchzuckte die endlose Leere in Honors Innerem, wie ein Blitz am fernen Horizont. Ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Ich denke, Captain«,
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