Der letzte Befehl
Frau empfand, denn er hatte genau das Gleiche empfunden. Doch er drückte sie noch fester an sich und schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Dir geht da nichts durch den Sinn, worüber ich nicht auch schon nachgedacht habe«, erklärte er ihr. »Wenn das irgendjemandes Aufgabe war, dann die der Admiralität. Glaub mir, Liebes, es gibt nichts, was du dir vorwerfen könntest, das mir nicht auch schon durch den Kopf gegangen wäre! Aber wir täuschen uns beide. Ja, wir haben unser ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, genau so etwas zu verhindern. Aber du warst nicht hier , als es passiert ist, und niemand hat es kommen sehen. Es gibt niemanden, dem man vorwerfen könnte, er habe nicht aufgepasst. Niemand hat irgendwelche Anzeichen ignoriert oder übersehen. Jeder einzelne von uns hat seinen Job erledigt, ganz genau so, wie das von uns erwartet wurde. Aber dieses Mal hat es eben nicht ausgereicht. Die Angreifer haben uns so zusetzen können, weil sie in einer Weise angegriffen haben, die niemand hätte voraussehen können.«
Honor erstarrte in seiner Umarmung, und selbst ohne ihre empathische Begabung fühlte Hamish ganz genau, wie sehr sie dem widersprechen wollte, was er gerade gesagt hatte. Sie wollte sich weiterhin selbst strafen. Doch er ließ sie nicht los – nicht mit den Armen, nicht mit seinem Herzen. Er hielt sie weiterhin fest, fast schon gnadenlos. Er wusste, dass sie fühlen konnte, was ihn bewegte, und sie wusste, dass sie seiner Liebe nicht entrinnen konnte.
Lange, lange Zeit blieb Honor angespannt, dann ließ sie sich ganz gegen seine Schulter sinken. Hamish spürte, wie ihr ganzer Körper zitterte, so heftig schluchzte sie. Wieder schloss er die Augen, hielt seine Frau fest, wiegte sie in seinen Armen und in seiner Liebe.
Er wusste nicht, wie lange sie so dort saßen. Es schien eine Ewigkeit zu währen. Schließlich hob Honor wieder den Kopf. Hamish zog ein Taschentuch hervor und trocknete ihre Tränen.
»Besser?«, fragte er sehr leise.
»Ein bisschen«, antwortete sie, auch wenn sie selbst nicht wusste, ob das wirklich stimmte. »Ein bisschen.«
»Es tut mir so leid, Liebes«, wiederholte er.
»Ich weiß.« Liebevoll tätschelte sie seinen Arm. »Ich weiß.«
Erneut zog sich die Stille in die Länge. Dann holte Honor tief Luft und richtete sich wieder auf.
»Ich werde sie vermissen«, sagte sie zu ihrem Mann. Immer noch sprach sie sehr leise und sanft, doch in ihren Augen loderte es nun. Trotz der Tränen funkelten sie, und hinter diesem Funkeln war immer noch die Finsternis zu lesen – Finsternis und unerbittliche Härte.
Hamish Alexander-Harrington kannte seine Gemahlin in einem Ausmaß, wie es nur bei Menschen möglich war, die beide von Baumkatzen adoptiert worden waren und deren Gefährten ebenfalls ein Paar bildeten. Er hatte erlebt, wie Honor mit Freude und mit Trauer umging, mit Glück und mit Zorn, mit Furcht, sogar mit Verzweiflung. Doch in all den Jahren, seit sie einander vor Jelzins Stern zum ersten Mal begegnet waren, hatte er nie wirklich die Frau erlebt, die in den Medien ›der Salamander‹ genannt wurde. Eine innere Stimme sagte ihm, dieses Versäumnis sei nicht seine Schuld, weil er niemals zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war, um ›den Salamander‹ kennen zu lernen. Bislang hatte er nie die Gelegenheit gehabt, neben ihr zu stehen, während sie mit einem angeschlagenen Schweren Kreuzer unerschütterlich auf einen Todesritt ging, geradewegs in die Breitseite des Schlachtkreuzers hinein, der sie zerschmettern wollte. Unerschrocken hielt sie auf ihren eigenen Tod zu, und auf den Tod ihrer gesamten Mannschaft, um einen Planeten voller Fremder zu beschützen, während aus den Lautsprechern des ganzen Schiffes Hammerwells Salute to Spring – Frühlingsgruß schallte. Hamish hatte nicht neben ihr auf dem taufeuchten Gras des Duellplatzes von Landing gestanden, als Honor, eine Pistole in der Hand und Rachsucht im Herzen, dem Mann gegenübertrat, der den Mord an ihrer ersten großen Liebe befohlen und bezahlt hatte. Hamish war auch nicht im Saal der Gutsherren bei ihr gewesen. Damals hatte sie sich einen Kampf mit blankem, rasiermesserscharfem Stahl geliefert – mit einem Gegner, der dreißig Mal mehr Erfahrung im Schwertkampf hatte als sie selbst. Und während dieses Kampfes hatte sie zahllose unsichtbare Zuschauer gehabt: den Geist von Reverend Julius Hanks, die Seelen all der Kinder, die auf dem Gut Mueller auf grausame Weise ihr Leben verloren hatten, und die
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