Der letzte Befehl
ziemlicher Brocken, wahrscheinlich von mehreren hunderttausend Tonnen Masse – hat Yawata Crossing ausgelöscht, Honor«, sagte er und blickte ihr dabei fest in die Augen. »Die gesamte Stadt.«
Honor hatte das Gefühl, jemand hätte ihr mit aller Macht in den Unterleib getreten. Schweigend starrte sie Hamish an, war einige Sekunden lang schlichtweg nicht in der Lage, das soeben Gehörte zu verarbeiten. Dann sog sie gequält die Luft ein. Hamish nahm ihr Gesicht in beide Hände und beugte sich zu ihr hinüber, bis ihre Stirnen sich berührten.
»Alle drei deiner Tanten ...«, sagte er, und seine Stimme war jetzt wieder leiser und sanfter. Es war die Stimme, mit der Liebende miteinander sprachen, überschattet von seinem eigenen Schmerz, ihr diese Nachricht überbringen zu müssen. »Dein Onkel Al war gerade auf Geschäftsreise, aber Jason und Owen waren beide zu Hause. Und ...«, wieder holte er tief Luft, »die Kinder auch. Und dein Cousin Devon, und seine Frau, und die beiden Kinder. Matthias und Frieda. Holly und Eric. Martha.« Er schloss die Augen. »Al geht es gut – soweit man das über einen Mann sagen kann, der gerade seine Frau und seine Kinder ... Devons Tochter Sarah, dein Cousin Benedict und deine Cousine waren auch nicht dort, als es passiert ist. Aber alle anderen, die schon. Deine Tante Claire hatte ja Geburtstag, und ...«
Seine Stimme verebbte. Tränen strömten Honor über die Wange, als vor ihrem geistigen Auge die Liste der Opfer überhaupt nicht mehr aufhörte; ihr fielen noch so viele weitere Namen ein. Die Familie Harrington war sehr groß, doch die meisten hatten schon immer in Yawata Crossing selbst oder ganz in der Nähe gewohnt. Und Familienfeiern – wie eben Geburtstage – waren für sie alle schon immer besonders wichtig gewesen. Wann immer es ging, versammelten sich dann alle, die es irgendwie einrichten konnten. Honor konnte sich vorstellen, wie es auf der Feier zugegangen sein musste: wie sie lachten, wie sie den jeweiligen Gastgeber oder Ehrengast liebevoll aufzogen, so wie sie das immer taten. Die Schwestern ihres Vaters, deren Ehemänner, die Kinder ... die Enkel kinder. Cousins und Angeheiratete.
»Es tut mir so leid, Liebes«, flüsterte er. »Es tut mir so entsetzlich leid.«
Honor schmeckte seine Liebe, seine Trauer, den Schmerz, den er ob ihrer Qual verspürte, und dieses Schuldgefühl, ihr diesen Schmerz zugefügt zu haben. Jetzt wusste sie, welches entsetzliche, furchtbare Untier auf seinen Schultern gekauert hatte ... und warum in sämtlichen offiziellen Korrespondenzen, die ihre Abberufung aus dem Haven-System begleitet hatte, mit keinem Wort die Kollateralschäden auf Sphinx erwähnt worden waren. Hamish Alexander-Harrington war der Erste Lord der Admiralität, und ob man seine Entscheidung nun als Amtsmissbrauch bezeichnen würde oder nicht, war ihm völlig egal gewesen. Etwas Derartiges sollte Honor nicht durch einen unpersönlichen Brief oder eine aufgezeichnete Nachricht erfahren. Nein, er hatte diese entsetzliche Aufgabe sich selbst aufgebürdet, persönlich. Das verstand Honor jetzt – und sie wusste auch, dass er noch nicht fertig war.
»Erzähl mir auch noch den Rest«, sagte sie. Ihre Stimme klang jetzt ebenso rau wie seine. Ihr war anzuhören, wie sehr sie sich beherrschen musste, um die alles verschlingende Finsternis abzuwehren.
»Andrew und Miranda wollten Raoul zu Claires Feier bringen«, sagte er, und Honors Herz schien auszusetzen. »Dein Dad und die Zwillinge hätten eigentlich auch kommen sollen, aber da hat es irgendeine Verzögerung gegeben. Sie befanden sich gerade auf halber Strecke zwischen Manticore und Sphinx, als der Angriff stattfand. Die haben das alles gut überstanden, und Andrew, Raoul und Lindsey hatten noch einen Abstecher zum Haus deiner Eltern gemacht, um deine Mom abzuholen. Deswegen waren sie noch nicht bei Claire angekommen. Aber Miranda ...«
Er schüttelte den Kopf, und Honor schloss die Augen. Nicht auch noch Miranda, lieber Gott! Bitte! , betete sie. Nicht auch noch Miranda!
Sie hörte beide ’Katzen Klagelaute ausstoßen, und wieder durchfuhr Honor unerträgliche Qual.
Natürlich , dachte sie. Natürlich war Farragut bei ihr. Jetzt weiß ich, warum Toby dafür gesorgt hat, dass Hamish und ich alleine sein konnten!
»Und Andrew?«, hörte sie sich selbst fragen. »Was ist mit Raoul und Mutter?«
Der Blick, der Hamish ihr zuwarf, erfüllte sie mit Entsetzen. Ihre eigene Trauer und der Schmerz drohten, das ganze
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