Der letzte Befehl
worauf man sich bei Menschen stets verlassen konnte. Aus welchem Grund auch immer, die Reaktion der Baumkatzen hatte nicht nur in Trauer und Entsetzen bestanden, sondern in Zorn. Einem Zorn, der sich nicht gegen ihre eigenen Zwei-Beine richtete, sondern gegen diejenigen, die für diese Katastrophe verantwortlich waren, wer immer es nun sein mochte. Es war kalter, fokussierter, tödlicher Zorn. Honor hatte schon immer gewusst, weit besser als der gesamte Rest der Menschheit, wie gefährlich der Zorn einer einzelnen Baumkatze sein konnte. Jetzt konzentrierte sich der erbitterte Zorn einer ganzen Spezies auf ein einziges Ziel. Manche mochten ja die Vorstellung lächerlich finden, eine Spezies kleiner, pelzige Baumbewohner, die technologisch betrachtet noch nicht einmal die Steinzeit hinter sich gebracht hatten, solle eine ernstzunehmende Bedrohung für jemanden darstellen, der über Superdreadnoughts verfügte. Honor Alexander-Harrington wusste es besser. Vielleicht, weil ich selbst viel zu sehr wie eine ’Katz bin , dachte sie. Sie wusste ohne auch nur den Hauch eines Zweifels, wohin ihr eigener Zorn sie letztendlich führen würde. Und so verstand sie die Baumkatzen nur allzu gut.
Sie riss sich zusammen. Im Laufe der letzten Tage waren ihre Gedanken entschieden zu häufig auf Wanderschaft gegangen, immer auf jenem dunklen, gefährlichen Pfad. Damit stand Honor nicht alleine da – das wusste sie sehr wohl –, doch sie zwang sich dazu, vor dem kalten Stahl ihres eisigen Hasses zurückzuweichen, vor dieser Essenz ihrer rachsüchtigen Wut. Stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf den deutlich natürlicheren Sturm, der über die Jasonbai näher und näher kam.
Die Brandung dürfte schon bald über den Damm des kleinen Jachthafens schwappen, in dem auch ihre Schaluppe Trafalgar derzeit vermoort war. Honor nahm sich vor, jemanden auszuschicken, nach dem Boot zu schauen. Eigentlich sollte sie das selbst übernehmen, doch im Moment hatte sie dafür wahrlich keine Zeit – selbst wenn Spencer oder einer ihrer anderen Waffenträger ihr überhaupt gestattet hätte, dafür das Haus zu verlassen.
Dieser Gedanke durchdrang sogar ihren eisigen Zorn, und Honors Mundwinkel zuckten in der Andeutung eines Lächelns. Spencer war nicht gerade erbaut gewesen, dass sie beschlossen hatte, nach Abschluss ihre Besprechung mit Elizabeth im Mount Royal Palace die Trafalgar persönlich zu ihrem Liegeplatz zu bringen. Er hatte versucht, sie wenigstens einen ihrer Waffenträger mitnehmen zu lassen, doch das hatte Honor rundweg abgelehnt. Allerdings hatte sie nicht verhindern können, dass er ihr bei dieser kurzen Überfahrt Geleitschutz gegeben hatte: mit nicht weniger als drei Stingships, einem Flugwagen mit Traktorstrahler und einem Such- und Rettungstaucher für den Notfall. Aber wenigstens waren die Flieger hoch genug aufgestiegen, um ihr und Nimitz wenigstens das Gefühl zu geben, für sich allein zu sein. Und das hatten sie beide dringend gebraucht.
Auch an jenem Tag war das Wetter stürmisch gewesen, allerdings noch nicht ganz so bewegt wie heute. Schon viel zu lange hatte Honor kein Salzwasser mehr geschmeckt und keine Gischt mehr auf dem Gesicht gespürt. Doch bei den vertrauten Bewegungen der Trafalgar , der Kraft des Steuerrades in ihren Händen und dem Rauschen des Wassers, als die Schaluppe so kräftig krängte, dass die Leereeling fast die schaumgekrönten Wellen durchschnitt, während hoch über ihr Seevögel ihre klagenden Schreie ausstießen, wurden Honor und das Meer sofort wieder eins. Und damit wurde sie auch wieder eins mit dem Leben an sich, und mit der Erkenntnis, was das Leben eigentlich war. Der Tod ihrer Familie, der Tod von Miranda und Farragut, der Tod Andrews ... all das würde Narben auf ihrer Seele hinterlassen. Und kein Trost außer der Rache selbst würde jemals den Zorn besänftigen können, der in ihr tobte. Das wusste Honor. Doch ihre Seele hatte schon so manche Narbe, und Honor hatte es überlebt. Auch dieses Mal würde sie es überleben, und sie würde ihre Rache nehmen können. Doch Narben und Vergeltung waren nicht das Einzige im Universum. Der salzige Wind, der ihren Zopf umherpeitschte, das Wogen des Decks, das Pfeifen des Windes um Stagen und Masten erfassten sie wie die Gezeiten des Lebens selbst.
Honor wünschte nur, sie könnte ihren Vater für ein Wochenende auf die Trafalgar mitnehmen.
Sie verdrängte auch diesen Gedanken und widmete ihre Aufmerksamkeit jetzt ganz Yanakov.
»Ich freue
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