DER LETZTE BESUCHER
mäßigen Abständen wieder hinter das linke Ohr zurüc k schob, verriet seine irischen Vorfahren. Ebenso die w asse r blauen Augen . Er begann, vor Au f regung von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen, als er merkte, worum es im Telefo n gespräch ging: Hier war er endlich, der erste richtige Fall, bei de s sen Lösung er dabei sein du rfte.
Becker beendete sein Telefonat und schob den Akte n berg erleichtert zur Seite. „Kommen Sie, Ralf, wir müssen noch nach Sachsenhausen. Eine Tote. Vermutlich To t schlag , vielleicht sogar Mord. Die Spurensicherung ist schon unte r wegs, der Staatsanwalt ve r ständigt.“
Sie verließen das Büro. Auf dem Weg zum Lift holte Becker sich in der Teeküche noch einen Kaffee aus dem Automaten, dann fuhren sie mit dem Lift in die Tie f garage. Becker schob sich auf den Beifahrersitz: „Fahren Sie bitte, damit ich meinen Ka f fee noch in Ruhe trinken kann.“
Sie fanden das Haus sofort. Davor ein Menschenau f lauf. Zwei Polizisten, die den Eingang sicherten – keiner du rfte vo r erst hinaus und keiner hinein. Die beiden Beamten wiesen sich aus und b e traten den dämmrigen Hausflur. Die Tür im Erdgeschoss war halb angelehnt und öffnete sich, als sie daran vorbeigehen wollten. Ein älterer grauhaariger Mann im blauen Overall stellte sich ihnen in den Weg: „Guten Tag, die Herren“, dienerte er, „wenn Sie Fragen an mich haben – stets zu D iensten . Die arme Frau. Sie wohnt, p ardon, sie wohnte ja direkt über mir. Mein Name ist Mohr, Heinrich Mohr, ich bin hier der Hau s meister.“
„Danke, wir melden uns später bei Ihnen . “ Ulrich Becker schob seinen Assistenten mit dem Arm in Richtung Treppe. Vor der Wohnungstür im ersten Stock zog er zwei Paar dünne Gummihandschuhe aus der Tasche und gab eines davon dem jungen Kollegen: „Wegen der Sp u ren.“
Die geräumige Diele, die sie betraten, machte auf den ersten Blick einen freundlichen einladenden Ei n druck. Ein Beamter wies ihnen den Weg zum angrenzenden Woh n zimmer, dessen Tür offen stand, und berichtete noch ei n mal in kurzen Stichworten: „ Sabine Schneider, 36 Jahre alt, g e schieden, Werbekauffrau, gut situiert, lebte allein und unau f fällig. Ein Bekannter, Stefan Winter, wollte sie besuchen, wunderte sich, dass die Wohnungstür nur a n gelehnt war, und entdeckte die Leiche gegen zwanzig Uhr fünfzehn . Er ve r ständigte sofort die Polizei. War fix und fertig der arme Kerl. “
Man hatte seine Personalien aufgenommen und ihn g e beten, morgen Vormittag auf das Kommissariat zu kommen und seine Aussage zu Protokoll zu geben. Becker blickte sich um: „Können Sie schon etwas über Todeszeit und Tode s ursache sagen?“
„Seit höchstens zwei bis drei Stunden, also zwischen achtzehn und neunzehn Uhr etwa. W ahrscheinlich Genic k bruch. Verletzungen im Gesicht und Würgemale am Hals, Näheres nach der Ob du ktion“, lautete die ei n silbige Antwort.
Becker erfasste mit einem Blick den groß en geschmac k voll ausgestatteten Woh n raum. In einer Nische, zu der zwei Stufen hinabführten , ein gedeckter Esstisch mit zwei G e decken, Kerzen und Weingläsern. Glassplitter am Boden , eine umgestürzte zerbrochene Blumenvase, Wasse r flecken auf dem Tisch und auf dem Teppich . Vier Stühle, einer davon um stürzt. . Dahinter die offene Küche. Au f geschnittenes Wei ß brot in einem Körbchen, in der Spüle ein Sieb mit welken den Salatblättern. Auf der gegenübe r liegenden Seite des Raumes vor der großen Fenste r front eine helle Couch und ein flacher Couchtisch aus Glas, darauf zwei Cogna c gläser , eins davon benutzt, und ein umgestürzter Silbe r leuchter. Eine verschmierte Blutspur zog sich an einem der ve r chromten Tischbeine hinunter bis zur Erde . Die Frau lag direkt neben dem Couchtisch auf dem Boden. Ihr Kopf neben dem Tischbein war zur Seite gedreht, das G e sicht schaute zum Fenster , ein Bein war angewinkelt, die Arme zur Seite ausgebreitet und die rechte Hand zur Faust g e ballt. Eine Platzwunde am Hinterkopf und ein dünnes Rinnsal getrockneten Blutes , das sich auch über das linke z u geschwollene Auge bis zum Mundwinkel hin ab zog . Das rechte Auge war g e öffnet , der Mund stand offen , die Lippen waren blau und verzerrt. Der Hals wies um den Kehlkopf herum mehrere Blutergüsse auf. Markenjeans, rosa T-Shirt, an einem Fuß eine modische Sandale, der andere barfuß. Ein ziemlich ramponierter Blumenstrauß in zerdrückter G e schenkfolie lag neben einem Kissen auf der Couch.
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