DER LETZTE BESUCHER
dass Sabine sie gelegentlich besuchte. Wenn ich mich richtig erinnere, war sie verwitwet. Ihr Mann ist früh g e storben. “
„Ich dachte nur ... “, Becker zögerte einen Augenblick, sprach dann aber doch weiter: „V ielleicht möchten Sie gern einmal mit ihr sprechen? Warten Sie, ich schreibe Ihnen die Tel e fonnummer auf.“
Becker riss ein Blatt aus seinem Notizblock und kritzelte Beate Kuglers Telefonnummer darauf. Es war ein spontaner Einfall. Sein G e fühl sagte ihm, dass es Helen guttun würde, mit ihr zu sprechen. Offensichtlich brauchte sie dringend jemanden, dem sie vertrauen kon n te.
„Und noch etwas. Was wissen Sie über den geschiedenen Mann von Frau Schneider? Hat I hre Freundin jemals über ihn g e sprochen? “
Helen überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf: „Nein, ich habe Sabine doch erst kennengelernt, als sie nach Frankfurt kam. Da war sie schon g e schieden. Sie hat nie über ihn und ihre Hamburger Zeit gesprochen. Die E r innerung war wohl zu schmerzlich für sie. Irgendetwas war da auch mit i hren Eltern, das hat sie sehr belastet. I ch habe sie aber nie danach zu fragen gewagt. Ich weiß nur, dass sie ihren Mann damals verlassen hat, weil er sie oft g e schlagen hat.“
„Dann wissen Sie also auch nicht, dass er inzwischen wieder verheiratet ist und hier in Fran k furt lebt?“
„N ein , natürlich nicht, woher denn auch? Als wir uns trafen, hat Sabine nichts darüber g e sagt. V ielleicht wusste sie es ja selbst nicht . Mein Gott – Sie glauben doch nicht etwa …? “ Sie hob die Hand vor den Mund und schaute Becker entsetzt an.
„Nein, nein “ , beruhigte d er sie , schaltete das Diktiergerät aus und e r hob sich. „I ch glaube, das ist für heute alles. Aber ich brauche Sie morgen noch einmal, um das Protokoll u n seres Gesprächs zu unterschreiben. Können Sie um fü n fzehn Uhr zu mir ins Präsidium ko m men? Und noch etwas. Wenn Sie in nächster Zeit verreisen, dann hinterlassen Sie mir doch bitte Ihre Telefonnummer. Ich nehme an, Sie h a ben ein Handy, oder?“
Sie stand fast gleichzeitig mit ihm auf, und einen flücht i gen Auge n blick lang meinte er, den Hauch eines Lächelns auf ihrem Gesicht zu s e hen. Oder war es nur Erleichterung , dass er endlich ging ? Aber als er sich ve r abschiedete, war ihr Gesicht wieder ganz regungslos. E r musste sich wohl getäuscht haben. Nachdenklich ve r ließ er das Haus. An der Ecke drehte er sich noch einmal um und schaute hinauf zu der schmalen Gestalt, die u n beweglich am Fenster stand und ihm nachsah. Er hob leicht die Hand , erstarrte aber mitten in der B e wegung, als er sah, wie in diesem Augenblick ein Mann du rch den Vo r garten auf die Haustür zuging , du rch die er gerade das Haus ve r lassen hatte. War das nicht … ? Aber nein, das konnte nicht sein, er musste sich geirrt haben. Oder hatte Helen Ber g mann ihn am Ende belogen? Gab es da vielleicht doch eine n Zusammenhang ? Er würde es herau s finden.
15
D er Regen hatte aufgehört und die Wolkendecke riss allmählich auf. Helen schloss das Fenster und ging lan g sam zurück ins Zimmer. Sie kauerte s ich in einem Sessel zusa m men und schloss die Augen. Ihre Schultern zuckten, und Tränen quo l len unter ihren Lidern hervor. Eine ganze Weile saß sie so. Der B e such des Kommissars und die Nachricht vom Tod Sabines hatten sie total au f gewühlt , und in ihrem Kopf kreiste unaufhörlich die Frage, w er in aller Welt das getan hatte , und vor allem warum . Die hilfsbereite, patente, immer gut g e launte Sabine hatte doch keine Feinde. War es möglich, dass sie einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt hatt e? Oder gab es einen ei f ersüchtigen Freund, mit dem sie in einen heftigen Streit geraten war?
Sie bereute jetzt bitter, dass sie Sabine am Mordtag for t geschickt hatte, als diese mittags vor ihrer Haustür stand. V ielleicht würde die Freundin ja noch leben , w enn sie selbst nicht so feige gewesen wäre. Und dann wäre auch sie, Helen, vermutlich nicht vom Balkon g e stürzt, als sie Sabine nachschaute, und säße jetzt nicht hier mit einem gebr o chenen Arm herum. Alles nur, weil sie wieder einmal so schreckliche Angst vor Daniels Jähzorn g e habt hatte.
Aber damit war jetzt Schluss. Sie würde gleich morgen früh Sabines Schwester a n rufen. Wie hieß sie doch gleich? Sie griff nach dem Zettel, den der Kommissar auf den Tisch gelegt hatte, warf einen Blick darauf und s teckte ihn autom a tisch in die
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