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also jahr e lang an der Nase herumgeführt. Da habe ich harmloser Idiot immer geglaubt, dass meine Frau keine G e heimnisse vor mir hat. Und dann e r fahre ich plötzlich, dass es da irgendeine ve r dammte Schlampe gibt oder gab, mit der sie mal befreundet war und durch die sie jetzt in eine Krim i nalgeschichte verwickelt wird , ja, womöglich noch selbst unter Mordverdacht g e rät.“
„Aber Daniel, was … wieso … wie kommst du denn d a rauf, dass …“
Ihre Stimme zitterte . Sie fror plötzlich am ganzen Kö r per. Stand auf und wollte zu ihm. Sie h offte ve r zweifelt , dass alles nur ein böser Traum war und er sie gleich in den Arm n ehmen und trösten würde. Doch er stieß sie so heftig zurück, dass sie stolperte und das Gleichgewicht ve r lor. Sie fiel rücklings zurück in ihren Sessel und stieß dabei mit dem geschienten Arm schmerzhaft gegen die Sesse l lehne. Der Schmerz trieb ihr erneut die Tränen in die A u gen.
„Das würde dir wohl so passen. Du kannst selber auslö f feln, was du dir da eingebrockt hast. Aber ohne mich , ve r stehst du, ohne mich!“
Mit diesen Worten drehte er sich abrupt um und stürmte aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal umzublicken. S e kunden später flog die Wohnungstür krachend hinter ihm ins Schloss. Ungläubig blickte Helen ihrem Mann nach. War das wirklich der Daniel, der ihr noch gestern vers i chert hatte, wie sehr er sie doch liebe? Der ihr das Blaue vom Himmel herunter versprochen hatte, damit sie nur ja bei ihm bliebe? Vorbei wieder einmal der Traum vom Ne u anfang, vorbei ihre verzweifelte Hoffnung, dass endlich zwischen ihnen alles wieder so werden würde wie früher. Wie früher, wiederholte sie in Gedanken bitter, was bin ich doch für eine Närrin gewesen. Schonungslos ge s tand sie sich ein, dass sie wieder einmal ein Opfer ihrer eigenen Wünsche geworden war, die ihr einen Daniel vorgaukelten, der in Wahrheit ni e mals existiert hatte. Und es gab niemanden, dem sie sich a n ve r trauen, mit dem sie reden konnte. Sie schloss die Augen. Ihr war übel und ihr Kopf dröhnte.
Lange Zeit saß Helen unbeweglich und stumm, sie schien kaum zu atmen. Doch dann, ganz al l mählich, wich die Starre aus ihrem Körper und sie spürte ve r wundert und ungläubig zuerst, wie sich ein neues, bisher unbekanntes Gefühl der Entschlossenheit in ihr au s breitete. Sie gab sich einen Ruck und erhob sich . Schluss jetzt, aus und vorbei, es reichte. Schluss mit dem Selbstmitleid, Schluss mit ihrer Feigheit und Wanke l mütigkeit. Sie musste endlich ihr Leben wieder in Ordnung bringen, ehe es zu spät war. Ohne Daniel. Natü r lich würde sie morgen allein ins Präsidium fahren. Warum hatte sie eigentlich vorhin behauptet, Angst davor zu h a ben? Sie sah plöt z lich den freundlichen Kriminalbeamten vor sich, wie er sie mit ernsten Augen so mitleidig a n gesehen hatte. Und etwas a nderes war da noch in seinem Blick gewesen, erinnerte sie sich plötzlich, etwas Warmes, Unausgesproch e nes, das ihr Vertrauen einflößte. Vor ihm brauchte sie be s timmt keine Angst zu haben. Sie e r tappte sich dabei, wie sie unter Tränen lächelte.
Helen war so in Gedanken versunken, dass sie zusa m menschrak, als das Telefon plötzlich klingelte. Hastig erhob sie sich und ging zum App a rat in der Diele. Als sie dort ihr Spiegelbild in dem großen Wandspiegel sah , e r schrak sie. Sie sah fürchterlich aus. Blass und fleckig, die Augen gerötet, die Haare strähnig und zerzaust, und dann der u n mögliche graue Pullover, in dem sie fast verschwand. Kein Wunder, dass der Kommissar Mi t leid mit ihr gehabt hatte. Sie fuhr sich mit den Händen über die Augen und strich die Haare aus dem Gesicht . I ch muss u n bedingt zum Friseur, schoss es ihr du rch den Kopf . Sie war seit einer Ewi g keit nicht mehr beim Friseur gewesen, hatte ihr Äußeres vernachlässigt und keinen Wert mehr auf ihre Kleidung gelegt , aber damit war jetzt en d gültig Schluss. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem leisen „Hallo“ .
„Spreche ich mit Frau Bergmann?“, fragte eine symp a thische Fraue n stimme.
„Ja, wer spricht denn dort?“
„Ich heiße Beate Kugler und bin die Schwester von S a bine Schneider . Kommissar Becker hat mich angerufen und g e beten, mich einmal bei Ihnen zu melden. Er m einte, dass wir uns unbedingt kennenlernen sollten . Ich glaube, er fü r chtete , dass Sie sich nicht trauen, bei mir a n zurufen.“
Helen atmete tief du rch. Ein Gefühl der Dankbarkeit du rc h
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