DER LETZTE BESUCHER
kommen. Er hatte es schon fast ve r mutet, Sabine Schneider war nicht erstickt, sondern an den Folgen des Sturzes gestorben, nachdem sie mit dem Hinterkopf auf dem Gla s tisch auf geprallt und von dort auf den Boden geschlagen war . Sie hatte offenbar ve r sucht, sich aus dem Klammergriff ihres Angreifers, der ihr die Luft abschnürte, zu befreien und war dabei möglicherweise so unglücklich gestürzt, dass sie sich das Genick gebrochen hatte. Es gab jede Menge Fi n gerabdrücke von der T o ten, von Stefan Winter und der Putzfrau, sowie eine Reihe noch nicht identifizierte r . Die zweite Sandale, die Sabine verloren hatte, blieb verschwu n den, und die zerdrückte Visitenkarte in ihrer Faust war o f fensichtlich du rch mehrere Hände gegangen, bevor sie zu ihrer Besitzerin zurüc k kehrte.
Auch die nochmalige Befragung der Hausbewohner hatte nichts Neues gebracht. Die Putzfrau der Walters, eine geschwätzige Mittvierzigerin, hatte zwar gelegentlich für S a bine Schneider geputzt, sie selbst aber wenig zu Gesicht b e kommen. Sie hatte einen Wohnungs s chlüssel, da Sabine berufstätig war. Die Termine hatte man meistens telefonisch vereinbart, und ihr Lohn lag stets auf der kleinen Ko m mode in der Diele für sie bereit. Sie hatte am Tag vor dem Mordtag die Wohnung geputzt. A lles war wie immer gewesen, ihr war nichts Besonderes aufgefallen.
Die Bewohner des Hauses in der Schwanthaler Straße kümmerten sich für gewöhnlich nicht umeinander. Man grüßte sich, wenn man sich b e gegnete, ansonsten ging jeder seiner Wege. E inige kannten Frau Schneider übe r haupt nicht, weil sie eine sehr ruhige Mieterin war und man sie se l ten sah. Lediglich d as Eh e paar Walter aus der Wohnung gegenüber, er Banker, sie Sekretärin bei einer großen Vers i cherungsg e sellschaft, hatte ab und zu Kontakt zu Sabine Schneider gehabt , weil man gegenseitig die Brie f kästen leerte und die Blumen goss, wenn die anderen in Urlaub waren.
Die Vorla du ng des Hausmeisters hatte auch keine neuen Erkenntnisse gebracht. Der Mann hatte sich redlich b e müht, den Beamten brauchbare Informationen zu liefern, wurde dabei jedoch offen bar selbst ein Opfer seiner eigenen Fant a sie. Becker hielt ihn für einen Angeber und Wichti g tuer, der den Beamten nur zu gern einen Täter präsentiert hätte, um sich anschließend damit brüsten zu können. Er hatte nicht gesehen, wann Sabine an diesem Tag nach Hause geko m men war, war sich aber sicher, dass ihr Auto gegen siebzehn Uhr auf ihrem Parkplatz neben dem Haus ge s tanden hatte . Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Mül l tonnen zur Straße gerollt, die immer mittwochs gele e rt wurden. Immerhin hatte er g e hört, wie Stefan Wi n ter am Abend kurz nach acht das Haus in der Schwanthaler Straße betr eten hatte und nur Minuten später bei Sabine Schneiders Nac h barn, den Walters, Sturm geklingelt hatte. Allerdings waren die Nachbarn zu dieser Zeit offe n bar nicht zu Hause. So hatte er sich Hilfe s uchend an ihn, den Hausmeister , g e wandt.
„Wissen Sie, ich hätte gemerkt, wenn die zu Hause gew e sen wären, weil der Tobias – das ist der Sohn, müssen Sie wissen – imm er so laut Musik hört “, ve r traute Mohr dem Kommissar an. Er selbst sei gerade dabei gewesen, eine d e fekte Glühbirne im Treppenhaus ausz u wechseln und h ät te dann mit Winter zusammen vor der Wohnung der Toten auf das Eintreffen der Polizei g e wartet.
Der Kommissar hieb mit der Faust auf den Tisch. Er ha tte das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Kein grei f barer Verdächtiger, keine Spur. Es war zum Ve r zweifeln. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Seine Gedanken konzentr i erten sich jetzt auf Helen Bergmann, die Frau auf dem Ze t tel. Sie müsste i n zwischen wieder zu Hause sein. Vielleicht brachte ein Gespräch mit ihr irgendeinen verwertbaren Hi n weis. Er wählte die Tel e fonnummer auf dem Zettel und hatte Glück. Helen meldete sich sofort und war auch gleich bereit, ihn am Nachmittag zu Hause zu empfangen . Offe n bar glaubte sie, es handle sich um eine Routin e befragung zu ihrem Unfall und wollte diese so schnell wie mö g lich hinter sich bringen. Becker ließ sie auch in diesem Glauben, denn er wollte nicht am Telefon über den Tod Sabines sprechen, sondern ihre Reaktion b e obachten, wenn er ihr diese Nachricht überbrachte. Er bat seinen Assistenten noch , Frau Kugler in Heidelberg anz u rufen und ihr mitzuteilen, dass die Leiche ihrer Schwester zur Bestattung fre i gegeben sei, und
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