DER LETZTE BESUCHER
Tasche . Beate Kugler . Ja, das war eine gute Idee. Und dann würde sie auch nachher unbedingt mit Daniel spr e chen.
Helen war so in Gedanken versunken, dass sie zusa m menschrak, als sie den Schlüssel in der Wohnung s tür hörte. Oh Gott, das Abendessen. War es schon so spät? Daniel würde sicher ärge r lich sein, dass sie die Zeit total vergessen hatte. Sie musste ihm sofort erzählen, was passiert war, bevor er wieder ausrastete. Panik e r griff sie.
„Hallo, Liebes, ich habe ein bisschen früher Schluss g e macht heute. Freust du dich?“ Mit diesen Worten trat Daniel ins Zimmer und scha u te sich um. „Das Essen ist wohl noch nicht fertig? Na, macht nichts, mit deinem Arm geht das wohl noch nicht so. Weißt du was, wir gehen ei n fach nach nebenan in unsere kleine Pizzeria. “
Helen atmete auf. Seit sie wieder zu Hause war, gab ihr Mann sich sich t lich Mühe. Ganz zaghaft noch , Stück für Stück fing sie langsam und leise an, wieder Hoffnung zu schöpfen. Daniel war wie ausgewechselt. Heiter, liebe n swürdig und zuvorkommend. Fast wie am Anfang ihrer Ehe. Ihre Befürchtungen schienen sich in Luft auf z ulösen. Als sie gestern Abend vorsichtig angedeutet hatte , dass die Ärztin im Krankenhaus ihr geraten hatte, einen Therapeuten aufzusuchen , hatte er nur gelacht und g e meint:
„Wozu denn das ? Lass mich nur machen. Ich bin dein bester Ther a peut. Wirst schon sehen, bald geht es dir wieder besser, und dann sieht die Welt gleich ganz anders aus.“
Dabei hatte er ihr zärtlich übers Haar gestrichen . Aber tief in ihr saß immer noch die Angst vor seinen plöt z lichen Wutausbrüchen und wollte sie nicht loslassen. Warum fü r chtete sie sich bloß so davor, ihm von S a bine zu erzählen ? Vermutlich würde er sie wieder auslachen, wenn er e r fuhr, dass sie sich vier Wochen lang nicht getraut hatte, ihm vom Wiedersehen mit der Freundin zu erzählen. Sie ve r stand sich ja heute selbst nicht mehr.
„Ich muss mit dir reden“, sie druckste ein bisschen und hatte sofort wieder einen dicken Kloß im Hals. Bloß jetzt nicht weinen. Dann gab sie sich e i nen Ruck:
„Ich hatte gerade vorhin Besuch von einem Kommissar der Mor d kommission und ... “
Doch b evor sie weitersprechen konnte, war Daniel über ihr und griff mit hartem Griff nach ihrem gesunden Arm:
„Was heißt das, wer war bei dir?“ Sein Blick verhieß nichts Gutes.
„ Au , lass das, du tust mir weh. Ein Kommissar Becker von der Mor d kommission war hier, weil Sabine …“ , sie zögerte kurz und fuhr dann leise fort: „Sabine ist tot.“ Jetzt weinte sie doch schon wi e der.
Schweigen . Er musterte sie.
„Wer, zum Teufel , ist Sabine?“
„Das will ich dir ja gerade erklären. Aber du darfst mich nicht anda u ernd unterbrechen.“
Und dann erzählte sie ihm – z uerst noch stockend, dann immer flüss i ger und zum Schluss wie gehetzt und sich immer wieder ve r haspelnd – d ass sie und Sabine Schneider früher Arbeitskolleginnen und gut befreu n det gewesen waren, bis sie ihn, Daniel , kennengelernt und ihm nach Hamburg g e folgt sei; dass sie seither nie mehr von ihr gehört , g e schweige denn sie gesehen hätte aus Angst vor seiner , Daniels , Eife r sucht ; dass sie ihr vor Kurzem zufällig beim Einkaufen über den Weg gelaufen sei , dass sie dann ihre Adressen ausg e tauscht hätten, weil sie sich verabreden wollten; dass Sabine in der letzten Woche ermordet aufgefunden wurde, und das s der e r mittelnde Beamte in der Wohnung von Sabine den Zettel gefunden hatte , auf dem sie, Helen, ihren Namen und ihre Telefo n nummer für die Freundin notiert hatte. Die Sätze kamen abgehackt, stoßweise und nur unterbrochen von Helens gelegentl i chem Schluchzen.
„Und morgen soll ich ins Präsidium kommen, hat der Kommissar gesagt, und ein Protokoll unte r schreiben. Bitte komm mit mir dorthin, dann fühle ich mich sicherer “ , bat sie zum Schluss mit za g hafter Stimme.
Als sie geendet hatte, herrschte absolute Stille. Selbst die Stan du hr in der Diele, deren Ticken man sonst bis ins Wohnzimmer hörte, schien plötzlich zu schweigen. Helen schaute hoch und schluckte . Daniel stand u n beweglich am Fenster mit dem Rücken zu ihr und hatte die Hände zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervo r traten. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Als er sich dann langsam zu ihr umdrehte, war sein G e sicht verzerrt, seine Augen sprühten Funken .
„ Du verdammte Heuchlerin“, zischte er wütend , „ du hast mich
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