Der letzte Beweis
versuchen, es irgendwie zu erklären.«
»Richtig, lass es lieber«, sagte ich. Mir hämmerte das Herz, und ich war rot angelaufen, und dachte gleichzeitig, Warum zum Teufel schäme ich mich denn? »Verdammt, Dad. Wer war sie?«
»Das spielt doch wirklich keine Rolle, oder? Sie ist sehr viel jünger. Ich bin sicher, ein Psychologe würde sagen, ich hätte versucht, meine Jugend nachzuholen. Es war schon lange aus und vorbei, als deine Mutter starb.«
»Kenne ich sie?«
Er schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Verdammt«, sagte ich noch mal. Ich war noch nie schnell von Begriff. Egal worum es geht, ich muss die Dinge eine Weile in mir gären lassen, ehe ich eine eigene Meinung entwickele, und ich sah ein, dass ich mich mit dieser Neuigkeit ziemlich lange würde rumschlagen müssen. Nur eines wusste ich ganz sicher, nämlich dass das absolut nicht cool war und ich wegwollte. Ich stand auf und sagte das Erste, was mir in den Sinn kam. »Verdammt noch mal, Dad. Warum hast du dir nicht lieber einen Scheißsportwagen gekauft?«
Seine Augen blickten zu mir hoch und senkten sich wieder. Ich sah ihm an, dass er sozusagen bis zehn zählte. Die Missbilligung meines Vaters hat zwischen uns beiden schon immer zu Problemen geführt. Er hält sich für stoisch und unergründlich, aber ich merke unweigerlich, wenn seine Stirn sich kräuselt, und sei es auch nur minimal, und seine Pupillen dunkler werden. Und die Wirkung auf mich ist ähnlich hart wie eine Ohrfeige. Selbst in diesem Moment, wo ich doch alles Recht der Welt hatte, wütend zu sein, schämte ich mich für meine Bemerkung.
Endlich antwortete er leise.
»Weil ich wohl keinen Scheißsportwagen haben wollte«, sagte er.
Ich hatte eine Papierserviette in der Faust zusammengeknüllt und warf sie jetzt auf den Tisch. »Noch etwas, Nat.«
Ich war inzwischen zu aufgewühlt, um noch zu reden.
»Ich habe deine Mutter nicht getötet. Ich kann dir das jetzt nicht alles erklären, aber dieser Fall ist alter Wein in neuen Schläuchen. Ein Haufen abgestandener Schwachsinn von einem Besessenen, der einfach nicht loslassen kann.« Mein Vater, normalerweise der Inbegriff der Mäßigung, wirkte selbst verblüfft über seine unverblümte Einschätzung des Staatsanwalts. »Aber glaube mir. Ich habe nie jemanden getötet. Und erst recht nicht deine Mutter, Gott ist mein Zeuge. Ich habe sie nicht getötet, Nat.« Seine blauen Augen blickten erneut in meine.
Ich stand über den Tisch gebeugt und hatte nur noch den Wunsch, endlich abzuhauen, also stieß ich einfach ein »Ich weiß« hervor und ging.
Marta Sterns Kopf schaut aus der Tür zum Gerichtssaal. Sie hat dieses zerzaust wirkende, rötliche Lockenhaar, trägt lange moderne Ohrringe mit buntem Glas darin und hat das leicht vertrocknete Aussehen einer ehemals dicken Person, die dünn geworden ist, indem sie Sport treibt wie eine "Wahnsinnige. Während des Prozesses war sie bis jetzt sozusagen für mich verantwortlich, irgendwas zwischen Schutzengel und Aufpasserin.
»Es geht los.« Während ich neben ihr hergehe, fasst sie meinen Arm und flüstert: »Yee ist bei seiner Entscheidung geblieben.«
Ich zucke die Achseln. Wie so oft, bin ich auch diesmal unsicher, ob ich erleichtert sein soll, weil ich nun nicht gezwungen sein werde, Gleichgültigkeit zu heucheln, während ich vor aller Augen Details über die Affäre meines Vaters erfahre, oder ob ich das Kreuzverhör nicht sogar selbst machen will. Ich sage etwas, das ich schon zahllose Male gedacht habe, seit dieser ganze Wahnsinn anfing.
»Bringen wir's hinter uns.«
Ich nehme meinen Platz in der ersten Reihe im selben Moment ein, als die Geschworenen zurück in den Saal kommen. Tommy Molto steht bereits vor meinem Dad, ein bisschen wie ein Boxer, der von seinem Hocker aufgesprungen ist, ehe die Glocke ertönt. Neben meinem Vater ist die Leinwand wieder geöffnet worden, auf der die Staatsanwaltschaft den Geschworenen digitale Dias von verschiedenen Unterlagen gezeigt hat, die als Beweismittel zugelassen wurden.
»Bitte, Mr Molto, fahren Sie fort«, sagt Richter Yee, als die sechzehn Geschworenen - vier als Ersatz - wieder in den verspielten Holzsesseln der Jury Platz genommen haben.
»Richter Sabich«, sagt Molto.
»Mr Molto.« Mein Dad nickt leicht, als wüsste er schon seit tausend Jahren, dass sie beide sich irgendwann so gegenüberstehen würden.
»Mr Stern hat Sie gefragt, ob Sie die Aussagen der Zeugen der Anklage gehört haben.«
»Ich erinnere
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