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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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gleich, brachte aber Mitte Oktober wieder seine angriffslustigen Werbespots. Mein Dad reagierte mit eigenen offensiven Spots, doch die einzige Veranstaltung, an der er teilnahm, war eine Podiumsdiskussion, zu der ihn eine Wählerinnenvereinigung eingeladen hatte und die auch im Fernsehen übertragen worden war.
    Der Wahlabend verlangte jedoch nach einer Party, weniger für ihn als für seine Wahlhelfer, die sich wochenlang für ihn eingesetzt hatten. Ich ließ mich kurz vor zehn Uhr dort blicken, weil Ray Horgan mich gebeten hatte, hinzukommen und mich auf Fotos mit meinem Dad ablichten zu lassen. Da ich wusste, dass Ray dort sein würde, bedrängte ich Anna nicht, als sie mich bat, allein hinzugehen.
    Ray hatte eine große Ecksuite im Dulcimer gebucht, und als ich ankam, waren ungefähr zwanzig Leute da, die auf den Fernseher schielten, während sie sich um die Platten mit den Häppchen drängten. Mein Dad war nirgends zu sehen, und irgendwer bugsierte mich in einen Nebenraum, wo mein Dad in ein ernstes Gespräch mit Ray vertieft war. Sie waren allein im Zimmer, und wie ich mir schon gedacht hatte, schwirrte Ray ab, sobald er mich sah. Mein Dad hatte seinen Krawattenknoten tief heruntergezogen und sah noch abwesender und verbrauchter aus als in den ersten Wochen nach Moms Tod. Meine Eltern hatten es nie leicht miteinander gehabt, aber ihr Ableben schien ihn bis ins Innerste ausgehöhlt zu haben. Er war so tieftraurig, wie ich es nicht erwartet hätte.
    Ich umarmte ihn und gratulierte, aber Debby Diaz hatte mich so nervös gemacht, dass ich ihn gleich darauf ansprach.
    »Hab ich«, sagte er, als ich ihn fragte, ob er herausgefunden hatte, was das Ganze sollte. Er bedeutete mir, mich zu setzen. Ich nahm mir ein Stück Käse von einem Tablett auf dem Couchtisch zwischen uns. Mein Vater sagte: »Tommy Molto hat vor, gegen mich Anklage wegen Mordes an deiner Mutter zu erheben.« Er hielt meinen Blick fest, während das Festplattenlaufwerk in meinem Gehirn eine ganze Weile vergeblich arbeitete.
    »Das ist doch verrückt, oder?«
    »Es ist verrückt«, antwortete er. »Ich vermute, sie werden dich als Zeugen benennen. Sandy war heute Nachmittag bei ihnen, und sie haben ihm höflicherweise einen kleinen Einblick in ihre Beweise gegeben.«
    »Ich? Wieso bin ich Zeuge?«
    »Du hast nichts falsch gemacht, Nat, aber das soll dir Sandy erklären. Ich sollte nicht mit dir über die Beweislage reden.
    Aber es gibt ein paar Dinge, die ich dir lieber selbst sagen möchte.«
    Mein Dad stand auf und schaltete den Fernseher ab. Dann ließ er sich zurück in den Polstersessel fallen. Er sah aus, wie alte Leute aussehen, wenn sie den Faden verloren haben und sich Unsicherheit auf ihrem Gesicht ausbreitet, mit einem leichten Beben in der Kinnpartie. Mir ging es nicht besser. Ich spürte, dass mir jeden Augenblick die Tränen kommen würden. Irgendwie hat es mich schon immer verlegen gemacht, vor meinem Dad zu weinen, weil ich weiß, dass er so etwas nie tun würde.
    »Ich bin sicher, es kommt heute Abend in den Nachrichten und morgen in den Zeitungen«, sagte er. »Sie haben das Haus gegen sechs Uhr durchsucht, sobald die Wahllokale geschlossen hatten. Da war Sandy noch bei der Staatsanwaltschaft. Nette Geste«, sagte mein Vater und schüttelte den Kopf.
    »Wonach suchen sie denn?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich weiß, dass sie meinen Computer mitgenommen haben. Was problematisch ist, weil da so viel vertrauliches Material vom Gericht drauf ist. Sandy hat schon mit George Mason gesprochen.« Mein Dad schaute zu den schweren Brokatvorhängen mit Paisleymuster hinüber, hässliche Dinger, von denen anscheinend irgendwer gedacht hatte, sie sähen luxuriös aus. Er schüttelte leicht den Kopf, weil er wusste, dass er vom Thema abgeglitten war. »Nat, wenn du mit Sandy über den Fall sprichst, wirst du einiges erfahren, von dem ich weiß, dass es dich enttäuschen wird.«
    »Was denn?«
    Er faltete die Hände im Schoß. Ich habe die Hände meines Vaters schon immer geliebt, groß und dick, rau zu jeder Jahreszeit.
    »Letztes Jahr war ich mit jemandem zusammen, Nat.«
    Zuerst verstand ich nicht, was er sagen wollte.
    »Meinst du eine Frau? Du warst mit einer anderen Frau zusammen?«
    »Zusammen sein«, das klang so schön harmlos.
    »Richtig.« Ich merkte, dass mein Dad versuchte, tapfer zu sein und nicht wegzusehen.
    »Wusste Mom davon?«
    »Ich hab es ihr nie gesagt.«
    »Mein Gott, Dad.«
    »Es tut mir leid, Nat. Ich will nicht mal

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