Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
Vom Netzwerk:
abgeholt hatten?«
    »Ich erinnere mich nicht, besonders darauf geachtet zu haben, was ich für sie abholte.«
    »Obwohl Ihre Fingerabdrücke auf dem Fläschchen waren?«
    »Es war mechanisch, Mr Molto. Ich holte die Medikamente ab. Ich stellte sie in den Schrank.«
    »Sie sagen, dass Sie nicht registriert haben, was Sie da abholten, obwohl Sie Ende September Webseiten aufriefen und nach Informationen über das Medikament suchten?«
    »Einspruch«, sagt Stern. »Der Sachverhalt ist geklärt. Richter Sabich hat bereits ausgesagt, inwieweit er sich an diese Internetrecherche erinnert.«
    Die Unterbrechung stört zumindest Moltos Rhythmus, und genau das ist der Grund, warum Stern mühsam auf die Beine gekommen ist. Aber jeder im Saal weiß, dass Tommy Molto dabei ist, meinen Vater nach allen Regeln der Kunst auseinanderzunehmen. Es ergibt keinen Sinn. So einfach ist das. Bei allem Übrigen mag mein Vater recht haben. Vielleicht schätzte er ihre Stimmungen falsch ein. Es konnte passieren, vor allem wenn meine Mom wütend war, dass man ihr nichts anmerkte, bis die Wut sich plötzlich Bahn brach. Und da auch ich für sie Sachen aus der Apotheke holte, als ich noch zu Hause wohnte, kann ich ihm glauben, dass er nicht mehr registrierte, um welches von ihren zahllosen Medikamenten es sich jeweils handelte. Aber diese Internetrecherchen - die sind vernichtend. Das Einzige, was sich zur Entschärfung sagen ließe, und ich bin sicher, Stern wird das in seinem Schlussplädoyer tun, ist, dass es ziemlich seltsam wäre, wenn ein Richter und ehemaliger Staatsanwalt, der einen Mord in allen Einzelheiten plant, dafür seinen eigenen Computer in dieser Weise nutzen würde. Worauf Molto das Offensichtliche erwidern wird: dass er nicht damit rechnete, erwischt zu werden, dass er vorhatte, es so aussehen zu lassen, als wäre meine Mutter eines natürlichen Todes gestorben.
    Doch das alles ist abhängig von der grotesken Epistemologie des Gerichtssaals, wo die Millionen alltäglichen Details eines Lebens plötzlich zu Beweismaterial für einen Mord werden. Tatsache ist, dass mein Dad wie fast jeder andere auch das Phenelzin registriert und sich dann drei Tage zuvor diese Webseiten angesehen haben könnte, nur um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich die A-Bombe war, und dann den Dingen ihren Lauf zu lassen, vor allem bei der Art von Ehe, wie meine Eltern sie führten. Im Haus meiner Eltern gab es ganze Ozeane von Themen, die unangesprochen blieben - immer war die Atmosphäre aufgeladen mit Dingen, die keinesfalls gesagt werden durften. Und meine Mom mochte es nicht, wenn man sie nach ihren Medikamenten fragte. Zahllose Male hab ich sie sagen hören, sie könne auf sich selbst aufpassen.
    Richter Yee weist den Einspruch ab, und mein Vater wiederholt ruhig, dass er sich beim besten Willen nicht daran erinnern könne, diese Seiten aufgerufen zu haben. Die Antwort ärgert Tommy.
    »Wer lebte Ende September 2008 außer Ihnen noch in Ihrem Haus?«
    »Nur meine Frau.«
    »Wollen Sie behaupten, dass Ihre Frau sich auf Ihrem Computer über Phenelzin informiert hat?«
    »Das wäre denkbar, wenn sie zum Beispiel eine Frage hatte.«
    »Hatte sie einen eigenen Computer?«
    »Ja.«
    »Hat sie Ihren Computer regelmäßig benutzt?«
    »Nicht regelmäßig. Und nicht lange an einem Stück. Aber mein Computer war gleich neben unserem Schlafzimmer, daher hat sie mir gelegentlich Bescheid gesagt und ihn kurz benutzt.«
    Das habe ich nie mitbekommen, aber es wäre meiner Mom zuzutrauen. Alles in allem hätte sie wohl am liebsten einen Computer am Gürtel getragen. Molto hat gerade die alte Prozessregel bestätigt, dass man des Guten nie zu viel tun sollte. Die letzte Runde Fragen scheint eher an meinen Dad gegangen zu sein, und Molto, der nicht gerade ein Pokerface hat, weiß das offenbar, denn er geht mit finsterem Blick ein paar Schritte hin und her. Unschwer zu sehen, dass Tommy ein erfolgreicher Prozessanwalt war. Er ist aufrichtig. Vielleicht fehlgeleitet. Aber er macht den Eindruck eines Menschen, der keine miesen Tricks auf Lager hat.
    »Nur noch mal zur Klärung, Richter Sabich, stimmen Sie mir zu, dass Ihre Frau nicht durch ein unglückliches Versehen starb?«
    Mein Dad hat Sandy angewiesen, mir die Beweislage offen darzulegen, daher wusste ich schon fast alles, was hier im Gerichtssaal zur Sprache gekommen ist. Mein Dad wollte nicht, dass ich von irgendwas überrascht werde. Und ich habe darüber nachgedacht, es mit Anna erörtert, wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher