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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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bereit war, mir zuzuhören, und mir sogar einige Notizen gemacht. Aber darüber nachzudenken, ob dein Vater deine Mutter ermordet hat, ist sogar noch schlimmer, als darüber nachzudenken, dass die eigenen Eltern Sex haben. Ein Teil des Gehirns sagt stur: »Ausgeschlossen, Mann.« Daher habe ich mir noch nie klargemacht, wie diese Dinge rückblickend ineinandergreifen. Falls meine Mom nicht durch ein unglückliches Versehen gestorben ist, dann hat sie wahrscheinlich auch nicht täglich Phenelzin genommen. Und wenn sie nicht täglich Phenelzin genommen hat, dann hatte sie keinen Grund, sich Nachschub zu besorgen. Das wiederum bedeutet - oder scheint zu bedeuten -, dass mein Dad diese Tabletten benötigte. Und dafür gibt es nur einen erkennbaren Grund.
    »Mr Molto, noch einmal, ich bin kein Pathologe und auch kein Toxikologe. Ich habe meine Theorien, Sie haben Ihre Theorien. Ich weiß nur eines mit Sicherheit, dass nämlich Ihre Theorie falsch ist. Ich habe sie nicht getötet.«
    »Dann bleiben Sie also dabei, dass es ein Unfall gewesen sein könnte?«
    »Die Experten sagen, dass es so gewesen sein könnte.«
    »Falls Ihre Frau also möglicherweise eine Tablette täglich einnahm, dann würde das doch wohl bedeuten, dass sie das Phenelzinfläschchen mindestens viermal angefasst haben muss, richtig?«
    »Allerdings.«
    »Und doch hat Ihre Frau keine Fingerabdrücke auf dem Fläschchen hinterlassen, ist das korrekt?«
    »Das hat Dr. Dickerman jedenfalls ausgesagt.«
    »Wir wissen, dass Officer Krilic insgesamt einundzwanzig Tablettenfläschchen aus dem Arzneischrank Ihrer Frau entnommen und inventarisiert hat.«
    »Ja.«
    »Und laut Dr. Dickerman sind auf siebzehn dieser Fläschchen die Fingerabdrücke Ihrer Frau. Auf zwei weiteren sind verschmierte Abdrücke, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, obwohl er einige Vergleichspunkte fand, die zu den Abdrücken Ihrer Frau passen würden. Ist das so weit richtig?«
    »Ich habe seine Aussage so in Erinnerung.«
    »Nun, Richter Sabich, Sie waren als Ankläger tätig, als Prozessrichter und als Richter am Berufungsgericht. In wie vielen Fällen wurden Ihrer Erinnerung nach Fingerabdrücke als Beweismittel vorgelegt?«
    »Bestimmt in Hunderten von Fällen.«
    »Und könnte man sagen, Sir, dass Sie im Laufe der Jahre sehr viel über Fingerabdrücke gelernt haben?«
    »Wir könnten darüber streiten, wie viel genau, aber ja, ich habe viel gelernt.«
    »Seit fünfunddreißig Jahren mussten Sie in der einen oder anderen Funktion über die Tauglichkeit oder Untauglichkeit von Fingerabdrücken als Beweismittel befinden. Ist das richtig?«
    »Durchaus.«
    »Könnte man Sie als Experten bezeichnen?«
    »Ich bin nicht so ein Experte wie Dr. Dickerman.«
    »Das ist niemand«, sagt Molto.
    »Dann fragen Sie ihn doch einfach«, sagt mein Vater. Das könnte als unfaire Bemerkung aufgefasst werden, aber die Geschworenen haben Dickerman im Zeugenstand erlebt, und einige von ihnen lachen laut auf. Und das Gelächter breitet sich im Gerichtssaal aus. Sogar Richter Yee muss schmunzeln. Auch Molto findet die Bemerkung amüsant. Er droht meinem Dad bewundernd mit einem Finger.
    »Sie wissen aber doch, dass manche Menschen auf aufnahmefähigen Oberflächen wie zum Beispiel auf Tablettenfläschchen üblicherweise Fingerabdrücke hinterlassen. Habe ich recht?«
    »Mir ist bekannt, dass es grundsätzlich darauf ankommt, wie stark die Hände schwitzen. Manche Menschen schwitzen stärker als andere. Aber auch bei ein und derselben Person kann die Schweißabsonderung variieren.«
    »Würden Sie mir recht geben, dass es ungewöhnlich wäre, wenn jemand auf neunzehn oder auch nur siebzehn anderen Fläschchen Abdrücke hinterlässt und dann dieses Phenelzinfläschchen« - und jetzt hält Molto das eigentliche Fläschchen in dem versiegelten Plastikbeutel hoch - »viermal anfasst, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen?«
    »Das kann ich nicht mit Sicherheit beantworten, Mr Molto. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Dr. Dickerman das gesagt hätte.«
    Im Zeugenstand hatte Dickerman Brand, der ihn befragte, in diesem Punkt offensichtlich weniger geliefert, als der hören wollte. Zurück in der Kanzlei, hatten Stern und mein Dad gesagt, dass das bei Dickerman immer mal wieder vorkam. Der Mann betrachtete diese Unberechenbarkeit als Beweis für seine unangefochtene Bedeutung.
    »Übrigens, ist Dr. Dickerman ein Freund von Ihnen?«
    »Ich würde sagen, ja. Genau wie er ein Freund von Ihnen

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