Der letzte Beweis
wissen wir nun auch, dass die beiden Webseiten, die Sie Ende September aufgerufen haben, genau diese Wechselwirkungen beschreiben, nicht wahr?«
Molto nickt einmal, und die beiden Seiten aus dem Internet erscheinen neben meinem Vater. Einige Zeilen darauf sind gelb hervorgehoben.
»Ich kann sehen, was auf den Seiten steht, Mr Molto.«
»Wollen Sie bestreiten, dass Sie diese Seiten Ende September letzten Jahres aufgerufen haben?«
»Das weiß ich nicht mehr, Mr Molto. Meine Frau nahm ungefähr zwanzig verschiedene Medikamente, von denen manche gefährlicher waren als andere. Gelegentlich habe ich mich, nachdem ich Barbaras Medikamente abgeholt hatte, im Internet über deren jeweilige Eigenschaften auf den neusten Stand gebracht, um meiner Frau dabei zu helfen, den Überblick zu behalten. Aber wenn Sie fragen, ob ich diese Webseiten auf meinem Computer zu Hause kurz vor Barbaras Tod aufgerufen habe —«
»Genau das ist meine Frage, Richter Sabich.«
»Soweit ich mich erinnern kann, nein.«
»Nein?« Tommy ist verblüfft. Genau wie ich. Mein Dad hat bereits eine plausible Erklärung dafür geliefert, warum er sich diese Seiten angeschaut haben könnte. Es scheint unnötig, das abzustreiten. Stern hat nicht aufgehört, sich Notizen zu machen, aber ich sehe an der Art, wie sich seine Lippen zusammenziehen, dass er nicht erfreut ist.
»Nun denn«, sagt Tommy. Er geht ein paar Schritte und streicht mit der Hand über den Tisch der Anklagevertretung, ehe er sich wieder meinem Dad zuwendet. »Aber wir sind uns doch wohl einig, dass Sie an dem Abend, bevor Ihre Frau starb, tatsächlich losgingen und Rotwein, älteren Cheddarkäse, eingelegte Heringe, Joghurt und italienische Salami einkauften. Ist das korrekt?«
»Ja, daran erinnere ich mich.«
»Also daran erinnern Sie sich, immerhin«, sagt Tommy, eine von diesen kleinen Sticheleien, wie sie in Gerichtssälen beliebt sind, um die lückenhafte Erinnerung meines Vaters zu betonen.
»Ja, das tu ich. Meine Frau hatte wieder ein Medikament abzuholen, und sie bat mich, doch gleich auch noch diese Sachen einzukaufen.«
»Die Einkaufsliste, die sie Ihnen mitgegeben hat, haben Sie wohl nicht mehr, oder, Richter Sabich?«
»Einspruch«, sagt Stern, doch mein Dad nimmt seine Begründung vorweg.
»Ich habe nichts von einer Einkaufsliste gesagt, Mr Molto. Meine Frau bat mich, eine Flasche Rotwein zu kaufen, den sie gern trank, mittelreifen Cheddar, italienische Salami und Vollkornkräcker, weil unser Sohn, der zum Dinner kam, das alles mag. Außerdem sollte ich Heringe mitbringen - die sie mochte - und Joghurt für einen Dip zu dem frischen Gemüse, das sie schon hatte.«
Es stimmt, dass ich schon seit Kindertagen gern Käse und Salami esse. Wie meine Eltern oft zum Besten gegeben haben, wollte ich mit vier oder fünf Jahren kaum etwas anderes zu mir nehmen, und das werde ich auch aussagen, wenn ich in ein paar Tagen erneut in den Zeugenstand gerufen werde. Seit dem Besuch von Debby Diaz habe ich eine ganz deutliche Erinnerung, wie meine Mom die Sachen, die mein Vater für den Abend mit mir und Anna eingekauft hatte, aus den weißen Zellophan tüten nimmt und jedes einzelne Teil begutachtet. Obwohl ich mich manchmal frage, ob ich meine Erinnerungen vor lauter Verzweiflung manipuliert habe oder inwieweit meine Hoffnung, dass mein Dad unschuldig ist, Einfluss auf mein Gedächtnis nimmt, bin ich beinahe sicher, dass mein Dad sie gefragt hat: »Hab ich das Richtige mitgebracht?« Auch das werde ich im Zeugenstand aussagen. Aber ich weiß nicht, ob meine Mom ihm genau aufgezählt hat, was er kaufen sollte, oder lediglich gesagt hat, er solle Wein und ein paar Appetizer mitbringen, oder ob er selbst vorgeschlagen hat, sich um die Vorspeisen zu kümmern. Alle drei Möglichkeiten sind denkbar, obwohl es für meine Mom tatsächlich eher typisch gewesen wäre, wenn sie ihm ganz genau gesagt hätte, was sie haben wollte. Sie könnte ihm sogar die Marken genannt und exakt beschrieben haben, in welchem Gang er was finden würde.
»Nun, Richter Sabich. Wer hat die Einnahme der Medikamente kontrolliert, die Ihrer Frau gegen ihre manische Depression verschrieben wurden? Wer hat die Medikamente tagtäglich ausgewählt?«
»Meine Frau. Wenn sie Fragen hatte, rief sie Dr. Vollman an.«
»War sie eine intelligente Frau?«
»Hochintelligent, meiner Meinung nach.«
»Und haben Sie Dr. Vollmans Zeugenaussage gehört, dass er sie wiederholt gewarnt hat, während der Einnahme von Phenelzin
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