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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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sehr genau darauf zu achten, was sie aß?«
    »Ja, die habe ich gehört.«
    »Laut seiner Aussage hat Dr. Vollman auch Sie regelmäßig darauf hingewiesen. Erinnern Sie sich an seine Warnungen vor den Gefahren von Phenelzin?«
    Mein Dad schaut zu der Kassettendecke des Gerichtssaals und ihren mit Kreuzmuster verzierten Walnussholzbalken hinauf.
    »Ich erinnere mich vage, Mr Molto, aber ja, ich glaube, er hat mich darauf hingewiesen.« Eine weitere Tatsache, die mein Dad einräumen muss. Ich frage mich, ob die Geschworenen seine Offenheit würdigen werden oder ob sie sie nur als raffinierten Kunstgriff eines Menschen einstufen, der den größten Teil seines Erwachsenenlebens in Gerichtssälen verbracht hat.
    »Und trotzdem wollen Sie uns weismachen, dass Ihre Frau Sie bat, Wein und Käse und Salami und Heringe zu kaufen, obwohl sie wusste, dass sie Phenelzin einnahm? Und, noch schlimmer, dass sie Wein trank und Käse und Salami aß?«
    »Entschuldigen Sie, Mr Molto, aber soweit ich weiß, hat niemand ausgesagt, dass meine Frau Wein getrunken oder Käse gegessen hat. Ich jedenfalls habe das ganz sicher nicht gesagt, weil ich mich nämlich nicht daran erinnern kann.«
    »Ihr Sohn hat ausgesagt, dass Ihre Frau Wein getrunken hat, Sir.«
    »Mein Sohn hat ausgesagt, dass ich meiner Frau ein Glas Wein eingeschenkt habe. Ich habe nicht gesehen, dass Barbara es getrunken hat. Nat und ich sind gleich danach rausgegangen, um die Steaks zu grillen, daher weiß ich nicht, wer was gegessen hat.«
    Tommy stockt. Zum ersten Mal hat mein Dad ihm wirklich einen Treffer verpasst. Und mein Dad hat recht, mit allem. Aber wenn ich meine Erinnerung an diesen Abend Revue passieren lasse, meine ich, meine Mutter mit einem Weinglas in der Hand gesehen zu haben, beim Essen ganz sicher.
    »Aber seien wir doch mal ehrlich, Richter Sabich. Angenommen, Ihre Frau nahm einmal täglich Phenelzin, wie Sie behauptet haben. Ergibt Ihre eigene Aussage für Sie dann einen Sinn, Sir, nämlich dass sie Ihnen eine Einkaufsliste mit lauter Sachen mitgegeben hat, die für sie tödlich sein könnten? Dass sie beispielsweise Heringe haben wollte, oder Joghurt, den sie, wie Sie sagen, zu essen beabsichtigte?«
    »Da müsste ich mutmaßen, Mr Molto, aber ich würde wetten, dass Barbara genau wusste, wie viel sie ohne nachteilige Auswirkungen mogeln konnte. Wahrscheinlich hat sie mit einem Schluck Wein und einem kleinen Stückchen Hering angefangen und dann im Laufe der Jahre herausgefunden, wie viel sie vertrug. Sie hatte dieses Medikament ja schon sehr lange immer mal wieder genommen.«
    »Danke, Richter Sabich.« Moltos Stimme nimmt plötzlich einen triumphierenden Tonfall an, während er dasteht und meinen Dad beäugt. »Aber falls Ihre Frau den Wein nicht getrunken hat und falls sie die Salami nicht gegessen hat und den Käse nicht gegessen hat oder die Heringe oder den Joghurt, dann kann ihr Tod doch wohl kaum ein Unfall gewesen sein, oder?«
    Nur eine Sekunde verstreicht, ehe mein Dad antwortet. Er - ebenso wie ich - begreift, dass soeben etwas Wichtiges geschehen ist.
    »Mr Molto, Sie bitten mich, über Dinge zu spekulieren, die sich ereignet haben, als ich nicht im Zimmer war. Es wäre ungewöhnlich für Barbara gewesen, diese Dinge in größeren Mengen zu sich zu nehmen. Und ich kann mich nicht erinnern, dass sie das getan hat. Aber sie hat sich extrem gefreut, meinen Sohn und seine Freundin zu sehen. Sie fand, die beiden wären ein tolles Paar. Daher kann ich nicht ausschließen, dass sie sich vielleicht vergessen hat. Darum nennt man es ja Unfall.«
    »Nein, Richter Sabich. Ich bitte Sie nicht um Mutmaßungen. Ich versuche, Sie mit der Logik Ihrer eigenen Aussage zu konfrontieren.«
    »Einspruch«, sagt Stern. »Argumentativ.«
    »Abgelehnt«, sagt der Richter, der ziemlich deutlich signalisiert, dass mein Dad sich selbst in diesen Schlamassel hineingeritten hat.
    »Sie haben gesagt, dass Ihre Frau regelmäßig Phenelzin genommen hat und durch einen Unfall gestorben ist, nicht war?«
    »Ich habe gesagt, dass das eine Möglichkeit ist, die durch die Aussage aufgeworfen wurde.«
    »Sie haben gesagt, dass es die Entscheidung Ihrer Frau war, Sie all die Sachen einkaufen zu lassen, die für sie gefährlich waren, obwohl sie Phenelzin nahm. Richtig?«
    »Ja.«
    »Und dann haben Sie gesagt, dass Ihre Frau das vielleicht getan hat, weil sie gar nichts davon essen wollte oder nur ganz winzige Mengen, von denen sie wusste, dass sie ihr nicht schaden würden.

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