Der letzte Beweis
unglücklich waren. Gab es dafür einen besonderen Grund, Richter Sabich?«
Mein Dad lässt sich mit der Antwort einen langen Augenblick Zeit, sicher, um seine Wort abzuwägen, weil ich keine zehn Meter von ihm entfernt sitze.
»Es war einiges zusammengekommen, Mr Molto.«
»Zum Beispiel?«
»Na, zum Beispiel, dass meine Frau entschieden gegen meinen Wahlkampf war. Sie fühlte sich dadurch in einem Maße exponiert, das ich nicht nachvollziehen konnte.«
»Sie verhielt sich verrückt?«
»Im umgangssprachlichen Sinne des Wortes, ja.«
»Und Sie hatten das satt?«
»Ja.«
»Und war das einer der Gründe, weshalb sie sich drei Wochen vor ihrem Tod von Dana Mann haben beraten lassen?«
»Vermutlich.«
»Richter Sabich, trifft es zu, dass Sie sich mit dem Gedanken trugen, Ihre Ehe zu beenden?«
»Ja.«
»Und nicht zum ersten Mal, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Haben Sie auch im Juli 2007 Mr Manns Rat eingeholt?«
Die beiden vollführen da einen behutsamen Tanz. Die Gespräche, die mein Vater mit Mann hatte, fallen unter das Anwaltsgeheimnis. Solange mein Dad nicht selbst davon anfängt, was er mit Dana besprochen hat, darf Molto nicht danach fragen, denn falls er meinen Dad oder Stern dazu zwingt, sich vor den Geschworenen auf das Anwaltsgeheimnis zu berufen, wäre das ein Verfahrensverstoß und könnte zur Einstellung des Verfahrens führen. Aber auch mein Dad muss sich vorsehen. Wenn er seine Gespräche mit Mann falsch wiedergibt oder auch nur bewusst einen irreführenden Eindruck entstehen lässt, wäre Dana verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen und ihn zu korrigieren. Es war Dana im Zeugenstand anzusehen gewesen, dass er eine Heidenangst vor Molto und Jim Brand und der ganzen Situation hatte, obwohl er nur fünf Minuten befragt worden war, in denen er die zwei Treffen mit meinem Vater bestätigt und die Rechnungen identifiziert hatte, die er im September letzten Jahres und im Juli des vorletzten Jahres verschickt hatte, sowie die Barschecks, mit denen mein Vater die Rechnungen beglich.
»Das Gespräch mit Mr Mann im Sommer 2007 erfolgte nicht allzu lang, nachdem sie Mr Harnason gefragt hatten, wie es sei, jemanden zu vergiften, richtig?«
»Etwa zwei Monate später.«
»Und was geschah dann, Richter Sabich? Warum haben Sie Ihre Ehe nicht beendet?«
»Ich habe verschiedene Optionen abgewogen, Mr Molto. Ich habe Mr Manns Rat eingeholt und dann beschlossen, mich nicht scheiden zu lassen.«
Alle Beweise, die den Geschworenen vorenthalten bleiben werden, die Belege, die Sandy und Marta mir gezeigt haben - die Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten, die Aussagen von Zeugen, die meinen Dad mehrfach in verschiedenen Hotels gesehen haben -, lassen eher vermuten, dass er wieder zur Vernunft kam, die Affäre beendete und beschloss, bei meiner Mom zu bleiben. Ich hab mich noch nicht dazu aufraffen können, meinen Dad zu fragen, ob ich das richtig sehe. Das einzige Gespräch, das wir zu diesem Thema hatten, ist so ziemlich alles, was ich verkraften kann. Eigenartigerweise habe ich nie ernsthaft geglaubt, dass meine Eltern eine wunderbare Ehe führten oder miteinander glücklich waren, und mindestens einmal pro Jahr dachte ich, einer von ihnen würde einen Schlussstrich ziehen. Aber die Vorstellung, dass mein Dad heimlich in der Mittagspause irgendeine Dreißigjährige gevögelt hat? Widerlich.
»Aber in der ersten Septemberwoche 2008 suchten Sie Mr Mann erneut auf.«
»Richtig.«
»Und gehörte diesmal zu Ihren Optionen auch die, Ihre Frau zu vergiften, genau wie schon ein Jahr zuvor, als Sie mit Mr Harnason sprachen und danach erstmals Dana Mann aufsuchten?«
Ich sehe, dass Marta ihren Vater anstupst, aber Stern reagiert nicht. Ich vermute, er findet es offensichtlich, dass die Frage so absurd argumentativ ist, dass sie nicht mal einen Einspruch verdient. Als Marta mich darauf vorbereitete, wie es sein wird, meinen Vater im Zeugenstand zu sehen, erklärte sie, dass mein Dad als Richter einen besseren Eindruck machen wird, wenn er sich selbst behauptet, ohne dass sein Anwalt ihn zu sehr schützen muss. Und genau das tut er jetzt. Er verzieht leicht das Gesicht und sagt: »Selbstverständlich nicht.«
»Waren Sie, als Sie im September 2008 mit Mr Mann sprachen, fester entschlossen, Ihre Ehe zu beenden, als beim ersten Mal?«
»Ich weiß es nicht, Mr Molto. Ich war unsicher. Barbara und ich waren sehr lange verheiratet.«
»Aber Sie geben zu, dass Sie sich bereits im Juli 2007 von Mr Mann beraten
Weitere Kostenlose Bücher