Der letzte Beweis
Schlussplädoyer zu bieten. Die Geschworenen haben Probleme, alle Einzelteile zusammenzufügen, und eigentlich sollte man dem Anklagevertreter nicht ermöglichen, das gleich zweimal für sie zu tun. Es war eine schwierige Frage, doch alles in allem hätte ich es für besser gehalten, wenn Ihr Vater nicht ausgesagt hätte. Das wäre sicherlich weniger riskant gewesen. Aber Ihr Vater hat sich anders entschieden.«
»Sind Sie jetzt enttäuscht?«
»Schwerlich. Nein, nein. Tommy war besser vorbereitet, als ich gehofft hatte, und die meiste Zeit ließ er sich auch nicht aus dem Konzept bringen, selbst als Ihr Vater ihn ein wenig provoziert hat. Die Chemie zwischen den beiden ist ein wenig geheimnisvoll, finden Sie nicht? Seit Jahrzehnten sind sie Gegenspieler, aber die Haltung, die sie zueinander einnehmen, ist zu komplex, als dass man sie einfach nur als Hass oder pure Ablehnung bezeichnen könnte. Trotzdem war alles, was heute geschehen ist, mehr oder weniger zu erwarten. Ihr Vater war Eins minus, und Tommy war Eins plus, aber das ist tolerabel. Hätte ich im Voraus gewusst, wie geringfügig der Schaden für uns ausfallen würde, hätte ich die Aussage Ihres Vaters befürwortet. Die Geschworenen haben aus seinem Munde gehört, dass er unschuldig ist. Und er wirkte die ganze Zeit gefasst.«
»Was hatten Sie denn befürchtet?«
In diesem Moment kommt ein Telefonanruf, und Stern hievt sich hoch. Er spricht nur eine Minute und nutzt danach die Gelegenheit, auf dem Rückweg zum Sessel sein Jackett an der Rückseite der Tür aufzuhängen. Es ist erschreckend, ihn so mager zu sehen, ein Schatten des Mannes, den ich in Erinnerung habe. Er trägt Hosenträger, und der Bund seiner Hose steht so weit vom Körper ab, dass er fast wie ein Zirkusclown aussieht. Sein Knie ist von der Arthritis versteift, und als er sich wieder setzt, fällt er nach hinten in den Sessel. Doch trotz seiner Beschwerden hat er meine Frage nicht vergessen.
»Wenn ein Angeklagter in den Zeugenstand tritt, können zahllose Dinge schiefgehen. Eine meiner größten Sorgen war, dass Molto genau den Antrag stellen würde, den er zu Beginn des Kreuzverhörs ja auch gestellt hat.« Sandy meinte Moltos Versuch, meinen Vater vor den Geschworenen zu seiner Affäre zu befragen. »Ich war ziemlich zuversichtlich, dass Richter Yee seine Meinung nicht mehr ändern würde, aber das war alles andere als sicher. Viele Richter hätten sich dem Argument der Staatsanwaltschaft gefügt, dass die fraglichen Geschehnisse Teil der gesamten Geschichte seien.«
Bei der Vorstellung stoße ich tatsächlich ein Knurren aus. Stern hat mir erklärt, wie außerordentlich wichtig es ist, den Geschworenen vor Augen zu führen, wie ich meinen Dad unterstütze, aber es wäre schrecklich für mich gewesen, mir das anhören zu müssen. Als ich Stern das sage, runzelt er leicht die Stirn.
»Ihr Vater hätte das ganz bestimmt nicht zugelassen, Nat. Ich habe in dem Punkt nie nachgehakt, aber ich glaube, er war entschlossen, keinerlei Fragen zu der jungen Frau, wer immer sie ist, zu beantworten, selbst wenn Richter Yee ihn vor den Geschworenen wegen Missachtung des Gerichts belangt oder seine Aussage aus dem Protokoll gestrichen hätte. Es versteht sich von selbst, dass beides für uns desaströs gewesen wäre.«
Als ich das höre, verschlägt es mir glatt die Sprache, was Stern nicht entgeht.
»Sie sind aufgewühlt«, sagt er.
»Ich bin sauer, dass er seine Chancen auf einen Freispruch in den Wind schießen würde, um diese Frau zu schützen. Das ist er ihr nicht schuldig.«
»Ganz genau«, erwidert er. »Was mich zu der Vermutung veranlasst, dass er eher Sie als diese junge Frau schonen wollte.«
Da ist er, der Anwalt als Künstler. Ein Prozess ist manchmal wie ein großartiges Drama, wenn sich die ganze Atmosphäre im Saal emotional auflädt und in jedem Satz zugleich hundert verschiedene Blickwinkel mitschwingen. Und Stern ist wie einer jener erstaunlichen Schauspieler, die das Gefühl vermitteln, als würden sie jedem im Saal die Hand halten. Seine unausgesprochene Anteilnahme ist magisch, aber im Augenblick kaufe ich sie ihm nicht ganz ab.
»Ich begreife immer noch nicht, was er im Zeugenstand gemacht hat, wenn er bereit war, einfach alles wegzuwerfen. Hat er gedacht, er hat keine Chance, wenn er nicht aussagt?«
»Ihr Vater hat mir seine Beweggründe nie mitgeteilt. Er hat sich meinen Rat angehört und seine Entscheidung getroffen. Sie erschien mir jedoch nicht
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