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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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Richter ungefähr so selbstgerecht wie Sultane.
    »Okay, aber falls die Karte echt ist -«
    Brand unterbrach ihn. »Sie ist nicht echt.«
    »Okay«, sagte Tommy. »Okay. Aber tun wir für den Moment mal so, als ob -«
    »Sie ist nicht echt«, wiederholte Brand. Seine Nasenflügel bebten wie die Nüstern bei einem Stier. Er fand es unerträglich, dass sein Boss auch nur bereit war, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Aber das sagte schon alles. Entweder die Karte würde sich als Fälschung erweisen, und dann wäre Sabich erledigt, oder sie war echt, und dann bliebe ihnen wohl nichts anderes übrig, als die Anklage fallen zu lassen. So einfach war das.
    Tommy und Brand blieben eine Minute stumm so sitzen. Malvern, Tommys Assistentin, hatte ihn hereinkommen sehen und klopfte an, um ihm zu sagen, dass Dominga am Telefon war. Wahrscheinlich hatte sie in den Nachrichten von einer »dramatischen Entwicklung« im Fall Sabich gehört.
    »Sag mir Bescheid, wenn du was von Gorvetich hörst«, sagte Tommy und stand auf.
    Brands Telefon klingelte, und er nickte und griff zum Hörer. Tommy kam nicht bis zur Tür.
    »Gorvetich«, sagte Brand hinter ihm. Er hatte einen Finger gehoben, als Molto sich umwandte.
    Tommy sah zu, wie Jim lauschte. Seine dunklen Augen bewegten sich nicht, und sein ganzes Gesicht war in einem finsteren Blick erstarrt. Tommy war nicht sicher, ob Brand überhaupt atmete. »Okay«, sagte Brand. Dann wiederholte er mehrere Male: »Ich verstehe.« Am Ende knallte Jimmy den Hörer auf die Gabel und schloss die Augen.
    »Was ist?«, fragte Molto.
    »Die sind mit der ersten Untersuchung durch.«
    »Und?«
    »Und das Objekt wurde einen Tag vor dem Tod von Barbara Sabich erstellt.« Jim nahm sich einen Moment Zeit, um zu atmen. »Es ist echt«, sagte Brand. Er trat gegen den Papierkorb neben seinem Schreibtisch, und dessen Inhalt flog heraus. »Es ist verdammt noch mal echt.«
     

Kapitel 36
    Nat, 24. Juni 2009
     
    Nachdem Richter Yee die Anwälte aus seinem Amtszimmer entlassen hat, kehren Marta und mein Dad und Sandy und ich ins LeSueur Building zurück, wo wir uns in Sandys großem Büro versammeln. Sandy, der seit Wochen wie der lebende Tod wirkt, versucht jetzt, meinem Dad zuliebe seine Euphorie zu zügeln. Aber er hat irgendwas an sich, wodurch er wieder so wirkt, als wäre er ganz der Alte. Ständig leuchten die Lämpchen an seinem Telefon auf, weil Reporter anrufen, und er erklärt ihnen, dass die Verteidigung vorläufig keinen Kommentar abgibt. Schließlich ruft er seine Sekretärin herein und sagt ihr, sie soll keine Gespräche mehr durchstellen.
    »Die fragen alle dasselbe«, sagt Sandy. »Ob wir meinen, dass Molto die Anklage fallen lässt.«
    »Wird er das?«, frage ich.
    »Bei Tommy weiß man nie. Brand würde ihn wahrscheinlich eher an seinen Stuhl fesseln, als dass er das zulässt.«
    »Molto wird nicht aufgeben«, sagt Marta. »Wenn es hart auf hart kommt, lassen sie sich irgendeine durchgeknallte Theorie einfallen, wie Rusty das selbst auf seinen Computer gezaubert hat.«
    »Rusty ist schon seit vor der Anklageerhebung nicht mehr an den Computer rangekommen«, sagt Stern.
    Er sieht meinen Vater an, der zusammengesunken in einem Sessel sitzt, zuhört, aber kaum etwas sagt. Seit anderthalb Stunden wirkt er von uns allen am tiefsten geschockt und in sich gekehrt. Vor Jahren habe ich im Rahmen eines Psychologieseminars mal eine psychiatrische Klinik besucht und dort einige Leute gesehen, an denen in den Fünfzigerjahren eine Lobotomie durchgeführt worden war. Ihnen fehlte ein Teil des Gehirns, und ihre Augen waren einige Zentimeter tiefer in die Höhlen gesunken. Mein Dad sieht jetzt ein bisschen so aus wie sie.
    »Jede Theorie dieser Art würde nur peinlich für sie«, sagt Stern.
    »Ich meine ja nur«, sagt Marta. »Und die Reporter gehen davon aus, dass es Barbara war?«
    »Wer denn sonst?«, fragt Stern.
    Diese Frage stelle ich mir schon seit anderthalb Stunden. Ich habe mich vor langer Zeit von dem Gedanken verabschiedet, meinen Vater oder meine Mutter wirklich verstehen zu können. Was sie füreinander oder in jenen Bereichen ihres Lebens waren, die mit meinem nicht in Berührung kamen, wird sich mir niemals erschließen. Es ist so, als würde man herausfinden wollen, wie irgendwelche Schauspieler hinter ihren Filmrollen in Wirklichkeit sind. Wie viel davon entspricht ihnen? Wie viel ist gespielt? Anna behauptet, dass es ihr mit ihrer Mom ähnlich ergeht.
    Aber wenn ich mir die Frage

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