Der letzte Beweis
gefallen, und mein Dad war immer noch ganz ratlos, und dann haben wir beide wie aus einem Munde gesagt: >Rozhat<, und er hat gesagt: >Scheiße, ja.< Und nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, hat er einfach nur über sich selbst den Kopf geschüttelt, und wir haben uns nicht mehr eingekriegt vor Lachen.«
Ich sehe, dass mein Dad lacht. Er lächelt hin und wieder, aber das ist wohl seit Prozessbeginn das erste Mal, dass ich ihn richtig lachen sehe. Auch die Geschworenen finden die Geschichte lustig, daher spreche ich sie direkt an. »Entschuldigen Sie meine Wortwahl vorhin, Sie wissen schon.«
»Also, Nat«, sagt Marta. »Sie wissen, dass ich Sie bitten werde, uns am Computer Ihres Vaters etwas zu demonstrieren?«
»Ja.«
»Wissen Sie auch, was genau das sein wird?«
»Nein.«
»Sie haben die Zeugenaussagen über Schredder-Software gehört, richtig?«
»Jawohl.«
»Haben Sie je Schredder-Software heruntergeladen?«
»Nein.«
»Haben Sie je mitbekommen, dass Ihr Dad Schredder-Software heruntergeladen hat?«
»Das ist ausgeschlossen.«
Brand erhebt Einspruch, und meine Antwort wird gestrichen.
»'tschuldigung«, sage ich zum Richter.
Der hebt freundlich eine Hand. »Einfach nur Frage beantworten«, sagt er.
»Also gut, Nat«, sagt Marta. »Ich möchte Sie bitten, den Zeugenstand zu verlassen und den Computer Ihres Vaters einzuschalten. Dann geben Sie bitte das Passwort ein, Rozhat, und wenn es funktioniert, laden Sie bitte die Schredder-Software herunter, die von der Anklagevertretung erwähnt wurde, um festzustellen, ob Sie diese anwenden können.«
»Einspruch«, sagt Brand.
Die Geschworenen müssen erneut aus dem Saal. Brand wendet ein, dass die Tatsache, dass ich das Passwort kannte, nicht beweist, dass auch meine Mom es kannte, und selbst wenn ich Probleme haben sollte, die Schredder-Software zu benutzen, könnte mein Dad ja schließlich geübt haben.
Richter Yee entscheidet zu Martas Gunsten. »Zuerst wollen sehen, ob Passwort richtiges Passwort ist, weil Mrs Sabich dieses Passwort kannte. Und wenn Anklage behauptet, der Richter hat Schredder-Software benutzt, hat Verteidigung Recht zu zeigen, was dafür erforderlich ist. Falls junger Mr Sabich Probleme hat damit, kann Verteidigung nicht sagen, das Beweis, Richter muss Probleme gehabt haben. Aber Verteidigung kann anführen, das zu schwierig für Richter. Anklage kann Gegenargumente anführen. Okay, Geschworene können wieder reinkommen.«
Als alle wieder Platz genommen haben, stehe ich bereits vor dem Computer. Richter Yee ist von der Richterbank heruntergekommen, um den Vorgang besser beobachten zu können, und auch das gesamte Anklageteam drängt sich um mich. Marta fragt den Richter, ob sie den Monitor zu den Geschworenen herumdrehen darf, was er erlaubt. Außerdem wird der Bildschirm auch auf die Leinwand neben dem Zeugenstand projiziert. Dann drücke ich den An-Knopf am Rechner, das Gerät erwacht surrend zum Leben und fährt hoch. Der Bildschirm leuchtet auf und fragt nach dem Passwort.
»Euer Ehren, wenn ich darf, möchte ich Mr Sabich bitten, als Passwort die Buchstaben R, O, Z, H, A, T einzutippen, mit Erlaubnis des Gerichts.«
»Machen Sie«, sagt der Richter.
Es funktioniert natürlich. Diese blecherne Melodie ertönt, und dann erscheint zu meiner Verblüffung eine Weihnachtskarte, die an meinen Dad adressiert ist. Ich merke, wie still es plötzlich im ganzen Saal wird.
Auf der Karte steht »Weihnachtsgrüße 2008«, und in ihrer Umrandung erscheint Zeile für Zeile ein animierter Schriftzug, und mit jedem Wort wird das Geraune unter den Zuschauern lauter.
Rosen sind rot
Veilchen sind blau
Du hast wieder Ärger
Denn ich war so schlau
Gruß – von wem, das weißt Du genau.
Kapitel 35
Tommy, 24. Juni 2009
Im ersten Moment hatte Tommy so ein Gefühl, das einen überfällt, wenn man merkt, dass ein Wasserrohr in der Wand geplatzt ist oder dass jemand, mit dem man gerade telefoniert, einen Herzinfarkt hat. Da ist was faul; mehr registriert man erst mal nicht. Das normale Leben hört schlagartig auf.
Während Tommy die Botschaft auf dem Monitor las, spürte er um sich Hektik ausbrechen. Die Geschworenen, die sich vorgebeugt hatten, um den Computer zu beobachten, waren von ihren Sitzen aufgestanden, um näher ranzukommen, und dann rückten mit ihnen auch einige Journalisten über die unsichtbare Grenze in den eigentlichen Gerichtsraum vor, damit sie alles mitbekamen. Das wiederum verführte etliche Zuschauer dazu,
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