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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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Zuschauerraum waren bis auf den letzten Platz besetzt, doch anscheinend haben weder die Reporter noch die Hobbyjuristen, die sich auf der Suche nach Zerstreuung interessante Prozesse anschauen, schon erfahren, dass sich etwas tut. Marta und Sandy gehen zu Hans und Franz und sprechen kurz mit ihnen, werden aber unterbrochen, als Richter Yee hereinkommt.
    Dr. Gorvetich ist knapp über ein Meter sechzig groß, hat krauses weißes Haar, das aus verschiedenen Stellen seiner Kopfhaut sprießt, einen zotteligen Ziegenbart und einen üppigen Bauch, der nicht mehr in sein billiges Sportjackett passt. Er ist in Turnschuhen hier aufgetaucht, was wohl damit zu entschuldigen ist, dass er so kurzfristig herbeizitiert wurde. Auch Hans und Franz tragen Freizeitkleidung. Matteus ist älter und größer, aber sie sind beide schlank und fit und modisch gestylt. Ihre Hemden hängen über den Designerjeans, und ihr Haar ist gegelt. Die Anwälte haben sich darauf geeinigt, dass Gorvetich mit dem Richter sprechen soll - schließlich müssen seine Auftraggeber hier die bittere Pille schlucken.
    Die Weihnachtskarte, so erklärt er, ist eine herkömmliche Grafikdatei, die in Zusammenhang mit einem Hinweis geöffnet wird, der am Neujahrstag 2009 angezeigt werden sollte. Das erklärt, warum die Sachverständigen beider Seiten bei den verschiedenen forensischen Untersuchungen des Computers, die Anfang Dezember durchgeführt wurden, nicht auf die Karte aufmerksam wurden.
    Die Tatsache, dass die Botschaft für die Zeit nach Weihnachten gedacht war, spricht für mich Bände, denn dann herrschte bei mir zu Hause immer schon eine brisante Stimmung. Meine Mutter war jüdisch erzogen worden und entzündete jedes Jahr mit mir Chanukkakerzen, aber das geschah hauptsächlich aus Trotz. Meine Mom mochte generell keine religiösen Feste, und aus irgendwelchen Gründen war ihr Weihnachten ganz besonders verhasst. Für meinen Dad war Weihnachten dagegen in seiner Kindheit einer der wenigen Lichtblicke im Jahr gewesen, und er freute sich auch als Erwachsener darauf. Vielleicht war für meine Mutter das Schlimmste dabei, dass die Serben Weihnachten erst am 7. Januar feiern, was bedeutete, dass die Weihnachtszeit sich scheinbar endlos lang hinzog. Ganz besonders zuwider waren ihr die traditionellen Weihnachtsessen, zu denen wir regelmäßig von den verrückten serbischen Vettern meines Vaters eingeladen wurden, weil es unweigerlich Schweinebraten gab, die Feste oft unter der Woche stattfanden, wenn ich am nächsten Tag zur Schule musste, und weil alle sich mit Slibowitz betranken. Meistens herrschte anschließend bis in den Februar hinein Funkstille zwischen ihr und meinem Dad.
    »Wir haben die Registrierungsdateien auf dem Computer überprüft und dabei besonders die .pst-Datei unter die Lupe genommen, die die Kalenderobjekte enthält«, erklärt Gorvetich. »Das Erstellungsdatum für ein Objekt ist in dem Objekt selbst enthalten. Die .pst-Datei gibt zudem das Datum an, wann das Kalenderprogramm zuletzt in irgendeiner Weise genutzt wurde, auch wenn es lediglich geöffnet wurde. Das angegebene Erstellungsdatum für das fragliche Objekt ist der 28. September 2008, die Uhrzeit 17.37 Uhr.
    Ich kann dem Gericht also zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass das Objekt allem Anschein nach echt ist. Da die Datei heute Morgen im Gericht geöffnet wurde, wovon ich abgeraten hätte, zeigt die .pst-Datei nun leider das heutige Datum an. Aber wir haben alle unsere Unterlagen durchgesehen, und als beide Parteien den Computer im Herbst vergangenen Jahres überprüften und ein Festplattenimage erstellten, zeigte die .pst-Datei den 30. Oktober 2008 an, also ein Datum, das einige Tage vor der Beschlagnahmung des Computers lag. Wie ich schon in meiner Zeugenaussage bemerkte, enthält das Register nach dem Benutzen einer Schredder-Software Datenmüll, aber der wurde von beiden Parteien festgestellt, als sie das Festplattenimage im Dezember untersuchten.«
    Tommy Molto erhebt sich. »Euer Ehren, darf ich eine Frage stellen?«
    Yee hebt eine Hand.
    »Könnte jemand nach Oktober irgendwie an den Computer rangekommen sein, die Uhr zurückgestellt und diese Karte angelegt haben?«, fragt Molto.
    Brand weiß offensichtlich, dass das unmöglich ist, und greift nach seinem Boss. Hans und Franz reagieren beide mit Kopfschütteln, und Gorvetich verneint die Frage.
    »So funktioniert das Programm nicht. Um eine ordnungsgemäße Kalenderfunktion zu sichern, kann die Uhr innerhalb des Programms

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