Der letzte Beweis
nicht zurückgestellt werden.«
Richter Yee klopft mit seinem Stift auf die Kladde vor ihm auf der Richterbank.
»Mr Molto«, sagt er schließlich, »wie geht es jetzt weiter?«
Tommy steht auf. »Euer Ehren, wenn Sie gestatten, werden wir uns das bis morgen überlegen.«
»Okay«, sagt der Richter. »Neun Uhr zum Gespräch. Geschworene in Bereitschaft.« Er lässt seinen Hammer knallen.
Ich komme auf die Beine und warte, um mit meinem Vater rauszugehen. Obwohl er morgen wahrscheinlich freikommt, blickt mein Dad, das ewige Rätsel, immer noch ernst.
Kapitel 37
Tommy, 25. Juni 2009
»Estoy embarazada.« Als er am Donnerstagmorgen vom Parkhaus zu seinem Büro ging, durchströmten Tommy noch immer diese Worte und der schüchterne Stolz, mit dem seine Frau sie ausgesprochen hatte. »Estoy embarazada«, hatte Dominga gesagt, als Tommy gestern, nachdem er Brands Büro verlassen hatte, den Hörer abnahm. Ihre Periode war immer unregelmäßig gewesen, und Tommy und sie hatten es schon eine Weile probiert, weil sie fanden, dass Tomaso kein Einzelkind bleiben sollte. Aber irgendwie hatte es nie geklappt. Was nicht weiter schlimm war. Tommy war schon mehr vom Glück gesegnet worden, als er je zu hoffen gewagt hatte. Doch jetzt war sie embarazada, in der sechsten Woche, wieder ein neues Leben in ihr.
Genau aus diesem Grund hatte Tommy immer gewusst, dass es einen Gott gab. Man könnte es Zufall nennen, dass seine Frau ihn ausgerechnet in dem Moment mit ihrer Schwangerschaft überraschte, als er erfuhr, dass es ihm auch diesmal nicht gelingen würde, Rusty Sabich zu überführen. Aber ergab das wirklich Sinn, dass die Dinge sich einfach so fügten, mit genug Freude, um jeden Kummer aufzuwiegen?
Er war gestern früher als sonst und einigermaßen im Frieden mit sich nach Hause gefahren, und er hatte gefeiert, indem er das Zusammensein mit seiner Frau und seinem Sohn genoss, bis sie schlafen gingen. Dann war er um drei Uhr morgens aufgewacht, um zu grübeln. Während er so im Dunkeln in ihrem Haus saß, das jetzt wahrscheinlich zu klein für sie wurde, überfielen ihn Zweifel, die er verdrängt hatte, als die Aussicht auf ein weiteres Baby noch vage war. Sollte ein Mann in seinem Alter tatsächlich noch ein weiteres Kind haben - ein Mädchen, wie Tommy seiner Frau zuliebe hoffte -, das seinen Vater vermutlich beerdigen würde, wenn es im Teenageralter wäre oder spätestens mit Anfang zwanzig? Tommy wusste es nicht. Er liebte Dominga, geradezu verzweifelt, und alles andere ergab sich daraus, unvermeidlich, selbst wenn sein jetziges Leben kaum noch Ähnlichkeit mit dem hatte, das er sich die fast sechzig Jahre zuvor ausgemalt hatte. Du folgst deinem Herzen in Richtung auf das Gute und akzeptierst, was dann passiert.
Auch im Hinblick auf Rusty hatte er das Richtige getan. Nachdem er fast einen Tag Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, war Tommy zu dem Schluss gekommen, dass es für alle das Beste war, den Fall jetzt zu beenden. Die Staatsanwaltschaft war ausgerechnet vom Opfer hinters Licht geführt worden. Keiner würde ihnen je einen Vorwurf machen können. Rusty würde freikommen, aber was er durchgemacht hatte, war nicht auf Tommys böse Absicht zurückzuführen, sondern auf den chaotischen Mist, den Rusty in seiner eigenen chaotischen Ehe angerichtet hatte. Wenn man richtig darüber nachdachte, war es eigentlich Sabich, der sich entschuldigen sollte. Aber da konnten sie wohl lange warten.
Das Problem würde Brand sein, der nach der Besprechung mit Richter Yee angefangen hatte, neu zu argumentieren. Selbst wenn die Weihnachtskarte echt war, so hatte er gesagt, könnte keiner beweisen, dass Rusty sie nicht letztes Jahr im September selbst erstellt hatte. Immerhin war sie auf seinem Computer. Sabich hatte den Mord an Barbara geplant und gehofft, er würde als natürlicher Tod durchgehen, aber für den Fall, dass irgendwer das durchschaute, hatte er sich zusätzlich mit der Version abgesichert, dass seine Frau Selbstmord begangen hatte, den sie ihm als Mord in die Schuhe schieben wollte.
Angesichts der Lage der Dinge könnte Jimmy sogar recht haben. Wer beging schon Selbstmord, um jemand anderen dranzukriegen? Aber Tommy hatte Brand schon vor langer Zeit etwas Entscheidendes gesagt: Rusty Sabich war zu schlau und Tommy gegenüber zu vorsichtig, um seine Frau zu töten, es sei denn, er fand einen Weg, der seine Verurteilung praktisch unmöglich machte. Selbst wenn Sabich das alles so inszeniert hatte, Fakt blieb, dass
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