Der letzte Beweis
Peter Berglan, eines der rücksichtslosesten Arschlöcher, für die Anna arbeiten muss, hatte sie auf dem Handy angerufen und sie mehr oder weniger gezwungen, an einer Telefonkonferenz teilzunehmen. Riley sagt, dass Anna vom Computer aufstand und sich auf der anderen Seite des Zimmers auf einen Stuhl setzte. Riley ging hinaus, weil es offenkundig um vertrauliche Mandantenangelegenheiten ging, aber sie schaute in den folgenden vierzig Minuten mindestens dreimal kurz herein, um nachzusehen, was Anna machte. Sie saß jedes Mal auf dem Stuhl weit weg von dem Computer. Schließlich kam Anna raus, um Riley zu sagen, dass sie fertig sei, und Riley sah zu, wie Anna sich wieder an den Computer setzte, die Datei herunterlud und die zukünftigen Termine meines Dads notierte. Laut Protokoll zeigte der Kalender noch dasselbe Datum an wie zu dem Zeitpunkt, als Anna angerufen wurde.
»Ist das alles?«, fragt George, nachdem Riley gegangen ist.
Sandy dankt Richter Mason, und als er aufgelegt hat, sitzen wir alle eine Weile schweigend da.
»Wie wird Molto argumentieren?«, fragt Sandy schließlich in den Raum. »Wie es aussieht, kann doch keiner den Computer manipuliert haben.«
»Eine Stunde«, sagt Marta. Sie spricht von Anna.
»Eine Stunde ist nicht genug Zeit«, sagt Sandy. »Rusty oder auch Rustys Sohn könnte sich eine Verteidigung überlegt und das gemacht haben, aber Anna kommt offensichtlich am wenigsten infrage. Wenn es ganz schlimm kommt, können wir uns einen Nachweis ihrer Handytelefonate besorgen und mit Peter Berglan reden.«
Zu demselben Schluss bin ich auch schon gekommen. Meinem Dad fehlen einfach die notwendigen Computerkenntnisse, um so was auch nur zu versuchen. Mir offen gestanden auch, und ich weiß natürlich, dass ich nichts dergleichen getan habe. Anna hätte, wie Stern schon sagte, keinerlei Grund gehabt, ihre ganze Karriere aufs Spiel zu setzen. Demnach kommt keiner von uns ernsthaft als Schuldiger infrage.
Stern deutet leicht auf meinen Vater. »Rusty, hatten Sie Schlüssel zum Gerichtsgebäude?«
»Nur für meine Amtsräume«, antwortet mein Dad. »Mehr nicht.«
»Haben Sie die noch?«
»Es hat sie noch niemand zurückverlangt.«
»Waren Sie je nach den normalen Dienstzeiten im Gebäude?«
»Bevor oder nachdem ich beurlaubt wurde?«
»Danach.«
»Nie.«
»Und davor?«
»Ein- oder zweimal, wenn ich etwas vergessen hatte, woran ich über ein verlängertes Wochenende arbeiten wollte. Es war nervig, ehrlich gesagt. Es gibt nur einen Wachmann im Gebäude. Und ich musste elend lang an die Tür hämmern, ehe der Mann mich bemerkte. Einmal hat es zwanzig Minuten gedauert.«
»Und in wessen Amtsräumen stand der Computer?«
»In Georges.«
»Ist er als kommissarischer Chefrichter in Ihre Büros umgezogen?«
»Bis jetzt noch nicht, soweit ich weiß.«
»Und was ist mit dem Wachmann? Hat der Schlüssel zu allen Amtsräumen?«
Mein Vater überlegt. »Na ja, der hatte immer einen ziemlich dicken Schlüsselbund dabei. Man hörte ihn schon von Weitem. Und es ist auch schon mal vorgekommen, dass sich Leute aus ihren Büros ausgesperrt hatten und den Sicherheitsdienst rufen mussten, der sie dann wieder reinließ. Aber ob der Nachtwächter die Schlüssel hatte, kann ich wirklich nicht sagen.«
»Das ist ihre Theorie«, sagt Marta. »Nicht wahr? Dass es im Gericht passiert ist. Dass Rusty vielleicht mitten in der Nacht mit einem Computergenie reingekommen ist.«
»Sprecht mit dem Wachmann«, schlägt mein Vater vor.
»Ich wette, dass Tommy jetzt gerade nett ihm plaudert«, sagt Marta. »Und Sie wissen, wie das läuft, Rusty. Entweder sie unterstellen dem Mann, dass er Ihr bester Freund ist, oder sie finden raus, dass er bei seiner Bewerbung für die Stelle eine Vorstrafe unterschlagen hat, und drohen ihm mit strafrechtlichen Konsequenzen, bis ihm wieder einfällt, dass er Sie reingelassen hat. Oder sie stellen fest, dass der Wachmann irgendwann mal einen Tag freihatte, und dann wird Jim Brand den Ersatzmann so lange piesacken, bis der sagt: Tja, ich weiß nicht mehr, welcher Richter es war, aber einmal ist einer von denen noch nachts reingekommen. Die werden sich schon irgendwas zusammenbasteln.«
»Res ipsa loquitur«, sagt Sandy. Die Sache spricht für sich selbst. »Außer Rusty hatte keiner ein echtes Motiv. Im November konnte noch niemand wissen, worauf die Beweise hindeuten oder welche Verteidigung funktionieren würde. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ja noch nicht mal eine komplette
Weitere Kostenlose Bücher