Der letzte Beweis
einem Dutzend hauptsächlich weiblichen Spinnern bekommen, die mir versichern, dass sie an meine Unschuld glauben, und dann über die Ungerechtigkeit jammern, die sie am eigenen Leib erfahren haben, meistens durch irgendeinen korrupten Scheidungsrichter.
Wenn die vier Insassen, die in Verwaltungshaft sitzen, gemeinsam zum einstündigen Hofgang nach draußen dürfen, spüre ich den spontanen Impuls, die drei anderen zu umarmen, um ihn gleich wieder im Keim zu ersticken. Rocky Toranto ist ein Transvestit, HIV-positiv, der in der Gemeinschaftshaft ständig andere Häftlinge anbaggerte. Die beiden anderen, die mich beäugen, während ich durch den Hof trabe und Dehnübungen und Liegestütze mache, sind gemeingefährlich. Manuel Rodegas hat ein Gesicht wie ein zertretener Käfer. Er ist ungefähr einen Meter sechzig groß, und sein Kopf scheint direkt auf den Schultern zu sitzen. Manchmal hat er lichte Momente, aber die meiste Zeit faselt er unsinniges Zeug. Harold Kumbeela ist ein fleischgewordener Albträum, knapp zwei Meter groß, mindestens hundertdreißig Kilo schwer. Als er noch unten untergebracht war, schlug er einen Mann zum Krüppel und brachte einen anderen beinahe um. Eigentlich ist er viel zu gewalttätig für die staatliche Arbeitsfarm. Er ist nur hier, weil das Ministerium für Heimatschutz einige Zellen für illegale Einwanderer angemietet hat, die auf die Abschiebung warten, die in Harolds Fall nicht früh genug erfolgen kann. Zu meinem Pech hat Harold erfahren, dass ich Richter war, und sucht regelmäßig bei mir Rat in Bezug auf seinen Fall. Zu Anfang habe ich mich damit rausgeredet, nichts von Einwanderungsrecht zu verstehen, aber diese Finte brachte mir nur zwei Wochen Schonfrist ein. »Klar, Kumpel«, sagte er vor ein paar Tagen zu mir, »aber, Mensch, Alter, kannst du dich nich was schlaumachen? 'nem Kumpel 'nen Gefallen tun?« Ich habe die Wärter gebeten, Harold im Auge zu behalten, aber das tun sie ohnehin.
Nat kommt mich einmal in der Woche besuchen und bringt jedes Mal einen Stapel Bücher mit, den die Aufseher unter die Lupe nehmen, und die vierzehn Dollar, die ich wöchentlich im Gefängnisladen ausgeben darf. Ich kaufe mir für die gesamte Summe Süßigkeiten, denn egal wie viel Sport ich treibe, das Essen kriege ich kaum runter. Nat und ich sitzen immer an einer kleinen getünchten Version eines Picknicktisches. Da hier die unterste Sicherheitsstufe gilt, darf ich über den Tisch fassen und kurz Nats Hand berühren, und ich darf ihn zur Begrüßung und zum Abschied umarmen. Wir bekommen jeden Sonntag eine Stunde. Als er mich die ersten beiden Male hier sah, weinte er, doch inzwischen genießen wir die gemeinsame Zeit; überwiegend redet er und erzählt mir Neuigkeiten von draußen, von der Arbeit und von der Familie, und die besten Internetwitze der Woche. Den größten Teil der Stunde verbringen wir gut gelaunt, und nur wenn das Gespräch auf die Trappers kommt, die schon wieder mal eine hoffnungslose Saison spielen, werden wir kurz ernst.
Bislang war Nat mein einziger Besucher. Es wäre aus vielerlei Gründen unklug, wenn Anna ihn begleiten würde, und sie wahrt die gleiche Distanz wie fast die ganzen letzten beiden Jahre. Außerdem bin ich nicht gerade darauf erpicht, dass mich noch andere hier sehen. Sonntags, wenn Nat kommt, werde ich von einem Aufseher namens Gregg durch die verschachtelten Gänge geführt, die mich buchstäblich näher ans Licht bringen.
Ich bin daher völlig verblüfft, als die Tür zu meiner Zelle weit aufschwingt und Torrez, einer der Aufseher, die mir beim Spanischlernen helfen, sagt: »Su amigo.« Er tritt beiseite, und Tommy Molto bückt sich leicht, um durch die Tür zu treten. Ich habe ausgestreckt auf meiner Pritsche einen Roman gelesen und setze mich abrupt auf, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Tommy auch nicht, der nun im Raum steht und sich anscheinend erst jetzt fragt, warum er hier ist.
»Rusty.« Tommy streckt mir eine Hand hin, die ich schüttele. »Hübscher Bart«, sagt er.
Ich habe mir hier einen Bart wachsen lassen, hauptsächlich weil das Rasieren bei dem Licht in meiner Zelle gefährlich ist und weil die Sicherheitsrasierer, die man uns hier gibt, fürchterlich stumpf sind.
»Wie geht es Ihnen?«, fragt Molto.
Ich breite die Arme aus. »Der Wellnessbereich könnte besser sein, aber zumindest gibt's Zimmerservice.«
Er lächelt. Den Witz bringe ich öfter in meinen Briefen.
»Ich bin nicht hier, um mich an Ihrem Elend zu
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