Der letzte Beweis
sich direkt hinter ihn, in Reichweite.
»Hartnäckig«, sagte Gorvetich lachend.
»Stur wie sein Vater. Was Gene so alles anrichten.« Gorvetichs Bemerkung fiel ihm wieder ein. »Was wollten Sie da vorhin über Brand sagen?«
»Nur dass mich ein Kommentar von ihm gewundert hat, den er bei dem Abendessen eine Woche danach von sich gab. Wir hatten so eine kleine Feier. Sie waren doch auch eingeladen, soviel ich weiß.«
Tommy erinnerte sich. Nachdem er für den Prozess einen Monat lang rund um die Uhr gearbeitet hatte, wollte er nicht schon wieder einen Abend ohne seine Familie verbringen. Jetzt erklärte er, dass seine Frau zum Zeitpunkt des Dinners in den ersten Wochen ihrer zweiten Schwangerschaft gewesen war. Gorvetich gratulierte ihm und nahm dann den Faden seiner Geschichte wieder auf.
»Es war nach dem Essen, als wir noch draußen vor dem Matchbook standen und uns verabschiedet haben. Wir hatten beide ordentlich was getrunken, und ich hab zu Jim gesagt, es muss doch frustrierend sein, in einem System zu arbeiten, das manchmal derart unbefriedigende Ergebnisse hervorbringt. Jim hat gelacht und gesagt, er hätte dem Fall mit der Zeit eine Art von perversem Humor abgerungen, weil da jemand, der es geschafft hat, den perfekten Mord zu begehen, am Ende für eine Tat bestraft wird, an der er gar nicht beteiligt war.«
»Wie hat er das gemeint?«, fragte Tommy.
»Ich weiß nicht. Ich hab damals nachgefragt, aber er ist nicht weiter drauf eingegangen. Ich dachte, Sie würden das verstehen.«
»Leider nein«, sagte Tommy.
»Ich hab immer wieder darüber nachgedacht. Als Sabich sich schuldig bekannt hat, bin ich davon ausgegangen, dass er einen Helfershelfer gehabt haben muss, um den Computer zu manipulieren. Ansonsten wäre das für einen Mann wie ihn, der mehr schlecht als recht mit Computern umgehen kann, eine technische Meisterleistung gewesen. Erinnern Sie sich, er hatte nicht mal gewusst, dass seine Internetrecherchen im Browser gespeichert werden würden.«
»Stimmt«, sagte Tommy.
»Ich hab mich gefragt, ob Jim zu dem Schluss gekommen sein mochte, dass der Komplize gar kein Komplize war, sondern jemand, der aus eigenem Antrieb gehandelt hat und nicht auf Anweisung von Sabich.«
Tommy zuckte die Achseln. Er hatte keine Ahnung. An dem Tag, als sie festgestellt hatten, dass sich die Weihnachtskarte nicht auf dem Festplattenimage befand, hatten sie versucht, jede erdenkliche Möglichkeit durchzuspielen. Weil sie fast damit rechneten, dass die Verteidigung ihnen irgendwas unterstellen würde, hatten sie die Beweiskette sorgfältig daraufhin untersucht, ob sie auch wirklich lückenlos war. Damals im Dezember, als Yee anordnete, dass der PC an sie zurückgehen sollte, hatten Gorvetich und Orestes Mauro, ein Kriminaltechniker der Staatsanwaltschaft, den Monitor, die Tastatur, den Einschaltknopf am Tower und sogar die Maus mit Sicherheitssiegelband verklebt, das sie mit ihren Initialen versahen, ehe sie sämtliche Teile in Folie einschweißten. An dem Tag von Nat Sabichs Zeugenaussage war die Folie im Büro der Staatsanwaltschaft mit Einverständnis der Verteidigung aufgeschnitten worden, aber das Sicherheitssiegelband war erst im Gerichtssaal im Beisein von Sabichs jungen Computerexperten entfernt worden. Die beiden hatten sich vergewissert, dass nirgendwo das Wort »beschädigt« zu sehen war, das in Blau erschien, sobald das Band abgezogen wurde.
Der Computer konnte somit nur in der Zeit manipuliert worden sein, als er sich in George Masons Amtsräumen befand. Gorvetich hatte sich Masons Protokoll angeschaut und die Ansicht vertreten, dass niemand lange genug Zugang zu dem Computer hatte, um sämtliche Arbeitsschritte durchzuführen, vor allem die Löschungen in den Registrierungsdateien, die selbst für ihn zeitaufwendig wären, wie er sagte. Die einzige plausible Erklärung schien daher, dass Sabich sich mit irgendeinem Computerkenner, den sie noch nicht identifiziert hatten, nach Dienstschluss ins Gebäude geschlichen hatte. Aber anscheinend war Brand in den Wochen danach noch eine andere Lösung des Rätsels eingefallen.
»Wahrscheinlich hat Jim einfach ins Blaue geredet«, sagte Molto.
»Möglich«, sagte Gorvetich. »Oder ich hab ihn missverstanden. Wir hatten ziemlich viel intus.«
»Wahrscheinlich lag's daran. Aber ich werde ihn mal fragen.«
»Oder Sie lassen es auf sich beruhen«, sagte Gorvetich.
Der alte Mann wirkte meistens zerstreut und in Gedanken versunken, doch jetzt trat kurz ein
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