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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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war, herbestellt hat. Er wollte ein Foto für sein Büro, sagt er, aber er will es auch dafür nutzen, in den nächsten Tagen eine Titelgeschichte auszuhandeln, die Rustys Sichtweise der Dinge erzählt, falls das ratsam erscheint. Die Sterns und Nat und Rusty haken sich unter und posieren für ein paar Aufnahmen, dann braust Lugon wieder davon, und Rusty nimmt auf dem Beifahrersitz in Martas Geländewagen Platz. Marta hat schon den Motor angelassen, als noch eine Gestalt aus dem Tor kommt und auf uns zutrabt. Es ist ein uniformierter Wachmann. Rusty öffnet das Fenster, schüttelt ihm die Hand und sagt irgendwas auf Spanisch. Nach einem letzten Winken wird das Fenster geschlossen, und wir rollen durch die Staubwolke, die Lugons Auto aufgewirbelt hat, davon, um Rusty Sabich endlich nach Hause zu bringen.
     
    Die Rückfahrt kommt einem immer kürzer vor. Marta fährt rasant, weil sie Rusty möglichst schnell auf den Weg bringen möchte. Sandy hat sich von der Idee verabschiedet, Rustys Foto veröffentlichen zu lassen, nachdem er ihn gesehen hat.
    So stark, wie er sich verändert hat, kann er mit ziemlicher Sicherheit unerkannt bleiben, vorausgesetzt, wir laufen vor seinem Haus nicht der Presse in die Arme.
    Der Exhäftling ist eine Weile ganz still, betrachtet die Landschaft vor dem Fenster und seufzt dann und wann leise, als wollte er sagen, O ja, ich hatte ganz vergessen, wie offene, weite Flächen aussehen und sich anfühlen. Er öffnet den Umschlag, den er mitgebracht hat und der seine Habseligkeiten enthält. Er zieht sämtliche Kreditkarten aus seinem Portemonnaie und mustert sie eine nach der anderen, als müsste er sich in Erinnerung rufen, wofür sie da sind. Und er wirkt unglaublich froh darüber, dass sein Handy noch immer funktioniert, obwohl es nach ein paar Sekunden den Geist aufgibt, weil der Akku leer ist.
    »Können Sie mir das erklären?«, fragt Rusty schließlich, als wir schon eine Zeitlang unterwegs sind.
    »Was erklären?«, fragt Stern, an den die Frage gerichtet war.
    »Warum Tommy das gemacht hat?«
    »Ich hab Ihnen ja schon erläutert, was er gesagt hat, Rusty. Der Computer war in der Nacht, ehe er vor Gericht eingeschaltet wurde, nicht gesichert. Spiel, Satz und Sieg. Sie können keine lückenlose Beweiskette belegen.«
    »Aber da steckt doch bestimmt mehr dahinter. Glauben Sie nicht? Warum hätte Tommy das zu diesem Zeitpunkt noch zugeben sollen?«
    »Weil er dazu verpflichtet ist. Tommy ist nicht mehr der alte Tommy. Das wird Ihnen jeder in den Tri-Cities bestätigen. Und was könnte denn sonst noch dahinterstecken?«
    Rusty antwortet nicht, doch nach einem Moment sagt er, dass Tommy Molto ihn zwei Tage zuvor im Gefängnis besucht hat und davon sprach, dass gewisse Leute in seinem Büro glauben, Rusty habe sich einer Straftat für schuldig bekannt, die er nicht begangen habe. Das bringt selbst den bekanntermaßen unerschütterlichen Sandy Stern sichtlich aus der Fassung.
    »Verzeihen Sie mir«, sagt Stern, »ich bin nur ein kleiner Anwalt, aber es wäre vielleicht klug gewesen, uns davon in Kenntnis zu setzen.«
    »Tut mir leid, Sandy. Ich weiß, das klingt lächerlich, aber irgendwie habe ich das Gespräch als Privatunterhaltung aufgefasst.«
    »Verstehe«, sagt Stern. Rusty hat sich umgewandt, um Sandy hinten ansehen zu können, und Marta am Steuer mimt lautlos, wie sie sich mehrmals mit der flachen Hand gegen die Stirn schlägt. Ich sitze auf der Rückbank zwischen Nat und Sandy und fühle, wie Nat meine Hand fester drückt. Er nickt lautlos vor sich hin. Keiner von uns wird das je begreifen.
    Um kurz nach vier kommen wir in Nearing an. Alles ist still. In der Einfahrt gibt es noch mal eine Runde Umarmungen. Nat und ich tragen die Lebensmittel von meinem Auto zu Rustys, das in der Garage steht, dann treten wir zurück, um ihm zum Abschied zu winken, wenn er Richtung Skageon losfährt. Doch der Motor von Rustys Camry gibt nur ein höfliches Hüsteln von sich, ein bisschen so wie das Geräusch, das Sandy immer wieder macht, dann verstummt er. Tot.
    »Der Mensch denkt, Gott lenkt«, sagt Rusty und steigt wieder aus. Ich biete ihm mein Auto an, aber Nat erinnert mich daran, dass ich am nächsten Tag zu einer Anhörung nach Greenwood County muss. Zu fünft überlegen wir kurz, was wir jetzt machen sollen. Marta möchte ihren Vater möglichst schnell nach Hause bringen, um ihn nicht zu überanstrengen, aber sie hat ein Starthilfekabel bei sich zu Hause, ganz in der Nähe. Sie wird männliche

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