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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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auszusehen, konnte er nicht recht verstehen, dass eine Frau wie Rory, die früher alle Blicke auf sich gezogen hatte, sich so gehen lassen und vierzig Pfund an den völlig falschen Stellen zulegen konnte. Sie war noch keine fünfzig, nach wie vor blond und gut gekleidet, was vielleicht bedeutete, dass sie mit ihrem Gewicht gekämpft und verloren hatte, wahrscheinlich Spiegel hasste und sich Sorgen machte, was ihr Mann Phil, ein Lieutenant bei der Verkehrspolizei, davon hielt.
    »Und? Was ist rausgekommen?«, fragte Tommy. Er und Brand hatten beschlossen, dass Rory die Beste wäre, um die Unterlagen anzufordern. Sie war hochrangig genug, dass sie sie direkt ansprechen konnten, ohne zuerst bei ihrem Vorgesetzten anfragen zu müssen, und intelligent genug, um die angeforderten Unterlagen auch ohne Hilfe interpretieren zu können. Und sie zählte zu den ganz wenigen Cops, die tatsächlich stolz darauf waren, ein Geheimnis zu hüten.
    »No se«, sagte Rory. »Ich weiß ja nicht mal, was der Anlass für die Aktion war.« Sie warf dem Oberstaatsanwalt einen strengen Blick zu, während sie und Brand in den Lehnstühlen vor Tommys Schreibtisch Platz nahmen. Tommy hatte Brand angewiesen, keinen Grund für die Ermittlung anzugeben, und wie alle Cops hasste Rory es, blind zu arbeiten. Polizeibeamte wollten immer alles wissen, hauptsächlich, weil das Gefühl, allen anderen etwas vorauszuhaben, eine der größten Wonnen ihrer Arbeit war. Manche Cops fühlten sich aufgrund dieses Informationsvorsprungs überlegen, andere einfach nur nicht ganz so schlecht. »Das ist so, als würde man mit dem FBI zusammenarbeiten. >Tut einfach, was ich euch sage.<«
    Nichts gegen Rory, aber Tommy wusste, es gab nur einen einzigen Weg, auf dem nicht alle Welt erfuhr, dass Rusty wegen Mordverdachts unter die Lupe genommen wurde, und der war, keinem zu trauen.
    »Sie wissen, um wen es geht, nicht wahr?«, fragte Tommy, als wäre der Name an sich schon Erklärung genug.
    »Wenn man vier Beschlüsse zur Herausgabe von Unterlagen zustellt und die alle den Namen desselben Mannes tragen, dann kriegt man so eine gewisse Ahnung, ja. Ich vermute, der Richter hat eine Affäre. Aber soweit ich weiß, ist Rumvögeln nicht strafbar. Auch nicht bei einem Kandidaten für das Oberste Bundesstaatsgericht. Und so zurückhaltend, wie Sie sind, kann es auch keine Racheaktion sein, nur um ihn an die Presse zu liefern. Also geht's um irgendwas Wichtigeres. Hab ich recht?«
    Brand sah Tommy an, der nicht antwortete. Er dachte darüber nach, was Rory gesagt hatte. Die Dokumente, die sie ausgegraben hatte, bestätigten Cantu irgendwie und ließen erkennen, dass Rusty aus der Reihe getanzt war.
    »Eines würde ich aber wirklich gern wissen«, sagte Rory. »Geht's um Männlein oder Weiblein?«
    Tommy spürte, wie ihm der Kiefer runterklappte. Schließlich sagte er: »Weiblich.«
    »Schade«, sagte Rory, die das Ganze offenbar richtig unterhaltsam fand.
    »Aber soweit wir wissen, ist sie sehr viel jünger«, sagte Brand. »Ist doch auch schon was.«
    »Aber längst nicht so gut«, antwortete Rory.
    »Wissen Sie, warum er es mit einer Frau treibt, die dreißig Jahre jünger ist als er?«, wollte Brand von Rory wissen.
    »Weil er Schwein hat«, erwiderte sie mit einem gelangweilten Lächeln. Sie dachte, er wollte sie auf den Arm nehmen, mit ihr reden, als wäre sie ein Mann, was der Cop-Version von Gleichberechtigung entsprach. Aber Brand meinte es ernst.
    »Weil keine Frau in seinem Alter so blöd wäre. Ich glaube kaum, dass man sonderlich viele Dates bei eharmony.com abgreift, wenn man in seinem Profil angibt: >War schon mal angeklagt, meine Geliebte ermordet zu haben.<«
    »Ich denke, manche Frauen würde das anmachen«, sagte Rory.
    »Wieso hab ich nie solche Frauen kennengelernt?«, fragte Brand.
    »Wie wär's mit ein bisschen Arbeit?«, warf Tommy ein. »Rory, wie kommen Sie darauf, dass Rusty eine Affäre hat? Was haben die Unterlagen ergeben?«
    »Nicht viel, um ehrlich zu sein«, sagte Rory. »Wir haben seine Kontonummer aus seinen Gehaltsunterlagen gefiltert. Das war überhaupt das Beste, was ich kriegen konnte, sein Bankkonto.«
    Tommy fragte, ob die Bank die Neunzig-Tage-Sperre erhalten hatte, die sie zum Stillschweigen verpflichtete. Rory warf ihm einen Blick á la Ich bin doch nicht blöd zu und öffnete dann ihren Ordner. Der Unterricht begann. Sie gab ihnen Kopien von Rustys Bankauszügen.
    Während der nächsten Minuten erläuterte Rory ihnen, dass Rusty im

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