Der letzte Beweis
verbracht.
Am Freitag der dritten Woche hatte ich Barbara erzählt, ich würde zu einem Empfang der Anwaltskammer gehen, und hatte es gewagt, erst um halb zwei nach Hause zu kommen, Anna hatte mich angefleht, bei ihr zu bleiben. Sie redet oft davon, dass wir irgendwie ein Wochenende zusammen wegfahren könnten, gemeinsam aufwachen und an der frischen Luft spazieren gehen. Aber ich sehe uns nicht so einfach frei und ungehindert. Ich bin heftig verliebt, aber für mich gehört unsere Beziehung in den geschlossenen Raum eines gemieteten Zimmers, wo wir unsere Kleidung abstreifen und nach den unterschiedlichen Dingen fassen können, nach denen es uns verlangt.
»Im Ernst. Du würdest mich niemals heiraten, oder?«
»Ich bin vergeben.«
»Klar. Nein. Wenn es Barbara nicht gäbe? Wenn sie tot umfallen würde. Oder dich sitzen ließe?«
Warum ist es meine erste instinktive Reaktion, auszuweichen? »Ich bin zu arm für eine Trophäenfrau.«
»Tolles Kompliment.«
»Anna, die Leute würden mir ins Gesicht lachen.«
»Ist das der Grund? Weil die Leute lachen würden?«
»Weil sie recht damit hätten. Ein Mann, der mit einer Frau verheiratet ist, die seine Tochter sein könnte, kommt der Sonne zu nah.«
»Ich würde sagen, das wäre dann mein Problem, oder nicht? Wenn ich dich beim Highschoolabschlussfest im Rollstuhl rumschieben möchte —«
»Und mir die Windeln wechseln?«
»Meinetwegen. Wieso darf ich solche Entscheidungen nicht treffen?«
»Weil es Menschen normalerweise schwerfällt, Abmachungen einzuhalten, die nur am Anfang für sie vorteilhaft sind. Am Ende empfinden sie dann nur noch Verbitterung.«
Sie wendet sich ab. Solche Gespräche treiben ihr oft Tränen in die Augen. Wir sind heute in einem Zimmer, das fast vollständig von dem großen Doppelbett ausgefüllt wird. Das Fenster öffnet sich auf einen Luftschacht, durch den Geklapper aus der Hotelküche nach oben hallt.
»Anna, irgendwo da draußen ist jemand, der ganz versessen darauf sein wird, dich zu heiraten.«
»Tja, bis jetzt ist er noch nicht aufgetaucht. Und erzähl mir nichts von irgendeinem anderen. Ich will keinen Trostpreis.«
»Ich werde dich nicht anlügen, Anna. Das kann ich nicht. Ich lüge überall sonst. Dir muss ich die Wahrheit sagen. Die Vorstellung ist unrealistisch. Soll ich meinen Wahlkampfslogan abändern? >Wählt Sabich! Unter ihm fühlt man sich wohl.<«
Sie lacht laut auf. Zum Glück lässt ihr Sinn für Humor sie niemals im Stich. Aber sie hat mir nach wie vor den Rücken zugewandt.
»Anna, ich würde dich heiraten, wenn ich vierzig wäre. Ich bin sechzig.«
»Sag mir nicht dauernd, dass ich jung bin.«
»Ich sage dir, dass ich alt bin.«
»Ist beides ziemlich nervig. Versteh doch, du bist nicht zufällig hier. Du vögelst mich, und dann hältst du mir Vorträge, die mir zu verstehen geben, dass du uns nicht ernst nehmen kannst.«
Ich drehe sie zu mir um, beuge mich ganz leicht vor, sodass wir absolut auf Augenhöhe sind.
»Findest du das plausibel? Was du da eben gesagt hast? Dass ich uns nicht ernst nehme? Ich setze alles aufs Spiel, um mit dir zusammen zu sein«, sage ich. »Meine Karriere. Meine Ehe. Die Achtung meines Sohnes.«
Sie entwindet sich meinem Griff und sieht mich dann plötzlich wieder an. Ihre grünen Augen blicken eindringlich.
»Liebst du mich, Rusty?«
Es ist das erste Mal, dass sie es wagt, das zu fragen, aber ich habe die ganze Zeit gewusst, dass die Frage kommen würde.
»Ja«, sage ich. Auf meinen Lippen fühlt es sich ganz wie die Wahrheit an.
Sie wischt sich über ein Auge. Und strahlt.
Nach der letzten Begegnung mit Marco Cantu unterliegt die Auswahl unserer Treffpunkte den Unberechenbarkeiten von hotelrooms.com , wo sich immer das ein oder andere Etablissement in der Innenstadt findet, das noch kurzfristig Zimmer zu Tiefstpreisen anbietet. Anna kümmert sich um die Buchung und e-mailt mir die entsprechende Anschrift, dann kommt sie zehn Minuten vor mir dort an, checkt ein und schickt mir die Zimmernummer auf meinen BlackBerry. Wir verlassen das Hotel in demselben zehnminütigen Abstand.
Und so komme ich an einem herrlichen Frühlingstag mit klarem Himmel und dem Geruch, als würde alles aufgehen, gerade aus dem Renaissance, als ich eine Stimme höre, die mir halbwegs bekannt vorkommt.
»Hallo, Richter Sabich«, sagt sie. Als ich herumfahre, steht da Harnason. Es ist ein schrecklicher Moment. Mir wird auf Anhieb klar, dass er mir vor zwei Stunden hierher gefolgt ist und
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