Der letzte Bissen
etwas trinken?«
Harders Mund formulierte ein tonloses Ja.
Bastian stand auf, füllte einen Zahnputzbecher mit Wasser und setzte dem Anwalt das Glas an den Mund. Der Patient schluckte gierig und musterte dabei seinen Gönner.
»Mein Name ist Bastian Bennecke. Sie werden mich nicht kennen.« Er setzte das Glas ab.
»Doch, ich kenne Sie.«
Die Stimme des Anwalts war leise, aber Bastian verstand jedes Wort. »Sie sollten besser nicht sprechen. Ich werde einen Arzt holen.«
Die kraftlose Hand des Anwalts legte sich auf Bastians Arm. »Nein!«
Bastian stellte das leere Wasserglas auf den Nachttisch.
»Ich muss Ihnen etwas sagen«, hauchte Harder.
»Ja?«
Der Anwalt schloss die Augen. Eine Sekunde später war er eingeschlafen.
Bastian lief im Zimmer auf und ab. Das Sofa zu Hause rief und er konnte sich im Moment auf dieser Welt keinen schöneren Schlafplatz vorstellen, aber auf der anderen Seite wollte ihm Harder etwas mitteilen. Vielleicht etwas, was Licht in die Dunkelheit brachte, die über ihren bisherigen Ermittlungen gelegen hatte.
Der Polizist in ihm siegte über den faulen, müden Sack. Bastian stellte zwei Stühle neben das Bett und versuchte, es sich bequem zu machen.
Er fiel in einen kurzen, traumlosen Schlaf, der zweimal gestört wurde. Eine Krankenschwester kontrollierte die Anzeigen auf den Monitoren und warf Bastian einen aufmunternden Blick zu. Der dämmerte wieder weg. Bis ein Mann seinen Kopf durch die Tür steckte, ihn aber gleich wieder zurückzog, mit der Entschuldigung, er habe sich im Zimmer geirrt. Bastian versuchte, die Müdigkeit von sich abzuschütteln. Hatte er den Mann schon einmal gesehen?
Bastian erhob sich von seiner unbequemen Schlafstätte, reckte und streckte sich. Er ging an das Waschbecken und warf sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Als er sich das Gesicht abtrocknete, sah er im Spiegel, dass Harder die Augen geöffnet hatte. Bastian füllte das Wasserglas auf und setzte es an den Mund des Anwalts.
Harder schien ihn zu erkennen, denn er lächelte Bastian an. »Ich muss Ihnen etwas sagen«, flüsterte er.
»Ich weiß.«
Der Anwalt schloss die Augen.
Nicht schon wieder, dachte Bastian.
Aber Harder war nicht eingeschlafen, offenbar versuchte er, Kraft zu sammeln.
Bastian war auf vieles vorbereitet, aber nicht auf Harders erste Worte: »Ich bin nicht der Bergmann. Aber ich weiß, wer es ist.«
67.
Es war weit nach Mitternacht, als Eberwein das französische Restaurant betrat. Die Kellnerin begrüßte ihn und führte ihn zu einem Tisch, an dem Jungclausen gerade die Reste eines Reisnudel-Gemüse-Auflaufs verspeiste.
»Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich schon angefangen habe. Ich hatte einen Bärenhunger.«
Eberwein knöpfte den Zweireiher auf und setzte sich. »Kein Problem. Ich hatte dir ja gesagt, dass es spät werden kann.«
Er angelte die Flasche Weißwein aus dem Kühler und goss sich ein. »Wie war dein Tag?«
»Wie erwartet. Ich habe den ersten Entwurf der Rücktrittserklärung für den Innenminister geschrieben.«
»Er hat die Sache abgehakt?«
Jungclausen legte die Gabel zur Seite. »Das Ultimatum läuft morgen Mittag aus. Keiner rechnet noch mit einer Wende.«
Die Kellnerin brachte Eberwein die Speisekarte. Er winkte ab. »Ich nehme wie immer das Gemüse mit Seetang und gemischtem Getreide, vorweg die Suppe mit Sprossen und Curry.« Er zog die Flasche aus dem Kühler. »Und bringen Sie gleich eine neue Flasche.«
Jungclausen nippte an seinem Weinglas. »Was ist mit deiner Trumpfkarte? Sticht sie?«
Eberwein griff in seine Jackentasche und legte die DVD auf den Tisch.
Jungclausen schob seine Brille auf die Nasenspitze. »Was ist das?«
»Der Film.«
Jungclausen fiel die Kinnlade nach unten und die Brille in die Reisnudeln. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Sehe ich aus, als würde ich Scherze machen?«
Während Jungclausen mit der rechten Hand die Brille von seinem Teller klaubte, angelte er mit seiner linken das Handy aus seiner Tasche.
Eberwein schüttelte den Kopf. »Steck es weg!«
»Das muss ich sofort dem Innenminister sagen.«
»Steck das Handy weg!«
Zögernd folgte Jungclausen der Aufforderung. »Na gut. Dann will ich aber jetzt die ganze Geschichte hören. Und anschließend feiern wir bis zum Umfallen.«
Die Kellnerin brachte die neue Flasche Wein. Eberwein und Jungclausen sahen schweigend zu, wie sie die Flasche entkorkte, Eberwein probieren ließ und zwei neue Gläser füllte. Sie wünschte ihnen: »Wohl bekomm’s!«,
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