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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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dessen, was der Inspector gesagt hatte, erinnern: ›Wir bitten alle, die sich am Mittwoch zwischen 18 Uhr 40 und 19 Uhr 15 auf der Straße von Oxford nach Woodstock befunden haben und uns vielleicht weiterhelfen können, sich zu melden …‹ O ja, er konnte ihnen weiterhelfen – hatte er doch selbst seinen Teil zu der verhängnisvollen Kette der Ereignisse beigetragen. Aber was sollte er sagen? Auf keinen Fall die Wahrheit. Nicht einmal die halbe Wahrheit. Sein Entschluß, zu dem er sich ohnehin nur widerstrebend durchgerungen hatte, geriet wieder ins Wanken. Er würde noch eine Minute warten – eine Minute und nicht länger.
     
    Am selben Abend um zehn Minuten vor zehn rief Sergeant Lewis ziemlich aufgeregt bei Morse zu Hause an. »Ein Erfolg, Sir. Ich glaube, wir haben einen ersten Erfolg erzielt.«
    »Lassen Sie hören.«
    »Es hat sich eine Zeugin gemeldet. Eine Mrs. Mabel Jarman. Sie hat das ermordete Mädchen gesehen –«
    »Ich nehme an«, unterbrach ihn Morse, »Sie meinen das Mädchen, das dann später ermordet worden ist.«
    »Ja, genau. Mrs. Jarman ist jederzeit bereit, ihre Aussage zu machen.«
    »Das heißt, Sie haben sie noch gar nicht befragt?«
    »Sie hat erst vor fünf Minuten angerufen, Sir. Ich fahre jetzt gleich zu ihr. Ich dachte, Sie würden vielleicht dabeisein wollen.«
    »Nein«, sagte Morse.
    »In Ordnung, Sir. Ich tippe dann nachher gleich alles, daß es morgen für Sie bereitliegt.«
    »Gut.«
    »Manchmal haben wir eben doch Glück. Wir finden das andere Mädchen bestimmt schnell.«
    »Welches andere Mädchen ?« fragte Morse.
    »Ja, sehen Sie, Sir –«
    »Geben Sie mir Mrs. Jarmans Adresse.« Morse streifte seufzend seine bequemen Hausslipper ab und griff nach seinen Schuhen.
     
    »Sie sind heute aber spät dran, Bernard. Was soll’s denn sein?«
    Bernard war allgemein beliebt im Fletcher ’ s Arms. Immer bereit, seine Runden zu zahlen – und mehr als das. Die Stammgäste wußten, daß er Akademiker war und einen gewissen Ruf hatte, aber er konnte gut zuhören, lachte genauso laut wie sie über die neuesten Witze, und wenn er sich einmal ereiferte, dann über die Unfähigkeit der Regierung und diese Krücken von Spielern bei Oxford United. An diesem Abend war er schweigsam. Bis fünf vor halb elf war es ihm trotz der Kürze der Zeit dank langjähriger Praxis gelungen, drei Halbe zu trinken, und er stand auf, um zu gehen.
    »Schnell noch ein Halbes, Bernard?«
    »Danke nein. Für heute abend reicht’s.«
    »Ist zu Hause Zoff?«
    »Ist doch immer Zoff.«
    Er ließ sich auf dem Heimweg Zeit. Er wußte, daß, wenn das Licht im Schlafzimmer brannte, Margaret, seine Frau, schon im Bett lag und sich mit Lesen noch wachhielt, um die Rückkehr ihres verirrten Ehemanns abzuwarten. War es im Schlafzimmer dunkel, so würde sie noch unten sitzen und fernsehen. Wie auch immer. Er würde es als Omen nehmen, so wie als Junge, wenn er mit einem Auto bis zum nächsten Laternenpfahl um die Wette gerannt war. Lag sie schon im Bett, würde er sofort ins Haus gehen, war sie noch auf, würde er von der Telefonzelle aus die Polizei anrufen. Als er in die Straße bog, sah er, daß im Schlafzimmer Licht war.
     
    Mrs. Jarman war zwar etwas nervös, in ihren Äußerungen aber durchaus bestimmt. Sie erinnerte sich überraschend gut, und der Sergeant hatte viel aufzuschreiben. Morse überließ ihm das Fragen. Er überlegte, ob Lewis recht hatte mit der Annahme, dies sei ein erster Erfolg, und schloß sich nach einigem Abwägen der Einschätzung seines Sergeant an. Er war jetzt kribbelig, und die penible Gründlichkeit, mit der Lewis, so wie es ihm auf der Polizeischule beigebracht worden war, jedes Detail der Begegnung an der Bushaltestelle zu eruieren suchte, ließ ihn innerlich vor Ungeduld aufstöhnen. Doch er wußte, daß diese Art des Vorgehens notwendig war und daß Lewis nur gewissenhaft seine Pflicht tat. Eine Dreiviertelstunde hielt er sich zurück und beschränkte sich aufs Zuhören.
    »Ich danke Ihnen sehr, Mrs. Jarman.« Lewis schloß sein Notizbuch und sah mit einem Ausdruck stiller Befriedigung zu Morse hinüber.
    »Könnten Sie vielleicht morgen zu uns ins Präsidium kommen, Mrs. Jarman?« fragte Morse. »Sergeant Lewis wird bis dahin Ihre Aussage getippt haben, und wir hätten gern, daß Sie sie noch einmal durchlesen, ob alles seine Richtigkeit hat. Eine reine Formalität.«
    Lewis stand auf, da er das Gespräch für beendet hielt, doch ein versteckter Wink von Morse bedeutete ihm, sich

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