Der Letzte Bus Nach Woodstock
»Jetzt haben Sie unseretwegen so lange aufbleiben müssen, aber Sie waren wirklich eine große Hilfe. Und der Scotch, den Sie da haben, der ist erstklassig.«
»Darf ich Ihnen noch ein Glas anbieten?«
»Da sage ich nicht nein, Mrs. Jarman. Der beste Scotch, den ich seit Jahren getrunken habe.«
Als sich Mrs. Jarman über den Tisch beugte, um sein Glas zu füllen, hob Morse warnend die Hand und signalisierte Lewis, sitzenzubleiben. Eine halbe Stunde lang versuchte er unauffällig, ihrem Gedächtnis weitere Details zu entlocken, aber vergeblich.
»Eine Sache noch, Mrs. Jarman. Wenn Sie morgen zu uns kommen, würde ich gern eine Gegenüberstellung machen. Es dauert nur ein oder zwei Minuten.«
»Sie meinen, Sie wollen, daß ich … ach, du meine Güte!«
Gegen dreiviertel zwölf verabschiedeten sich Morse und Lewis. Sie standen schon beide an ihren Wagen, als sich die Haustür plötzlich noch einmal öffnete, und Mrs. Jarman eilig auf Morse zulief.
»Da ist noch etwas, Sir. Ist mir gerade eben erst eingefallen. Als Sie sagten, ich könnte, wenn ich wollte, die Augen schließen, da tauchte plötzlich vor mir dieses Bild auf. Das andere Mädchen, Sir. Als sie gerannt ist, das sah so komisch aus, so mit den Füßen nach außen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ich glaube schon«, sagte Morse.
Die beiden Männer kehrten ins Präsidium zurück. Sie erkundigten sich, ob sich noch weitere Zeugen gemeldet hätten. Es waren jedoch keine Anrufe mehr eingegangen. Der Inspector bat Lewis zu sich ins Büro.
»Nun, mein Freund?« Morse sah aus, als sei er mit sich zufrieden.
»Sie haben ihr gesagt, wir würden eine Gegenüberstellung machen«, sagte Lewis in einem Ton, der verriet, daß ihm völlig schleierhaft war, wen Morse dazu eigentlich antreten lassen wollte.
»Machen wir auch. Und jetzt sagen Sie mir mal, was von alldem heute abend die wichtigste Information war.«
»Wir haben eine Menge wichtiger Informationen bekommen«, sagte Lewis vorsichtig.
»Ja, sicher, aber so richtig durchzuckt hat es Sie doch nur bei einer Sache, stimmt’s?« Lewis bemühte sich angestrengt, so auszusehen, als habe er verstanden.
»Wir wissen doch jetzt, daß Sylvia Kaye angenommen hat, die ärgerliche Warterei an der Bushaltestelle wäre am nächsten Morgen vergessen, das andere Mädchen und sie würden zusammen darüber lachen …«
»Ich verstehe«, sagte Lewis, der immer weniger verstand.
»Ist Ihnen wirklich klar, was das bedeutet? Das heißt doch, daß die beiden sich normalerweise am nächsten Morgen, also Donnerstag vormittag, gesehen hätten. Sylvia war berufstätig, und wir wissen, wo sie gearbeitet hat.«
»Sie meinen, Sylvia und das andere Mädchen waren im selben Büro.«
»Es deutet alles darauf hin. Ja.«
»Aber ich bin doch im Büro gewesen. Keine hat ein Wort davon gesagt.«
»Daraus lassen sich eine Menge Rückschlüsse ziehen.«
»Sie meinen, ich hätte sie nicht gründlich genug befragt.« Lewis starrte niedergeschlagen auf seine Füße.
»Aber sehen Sie denn nicht«, fuhr Morse fort, »daß eins von den Mädchen … wie viele gibt es denn da überhaupt?«
»Vierzehn.«
»– daß eins von den Mädchen zumindest etwas zurückhält, wenn uns nicht überhaupt ein Haufen Lügen aufgetischt worden ist.«
»Ich habe ja nur zwei ihrer Kolleginnen gesprochen. Die beiden, mit denen sie am engsten zusammengearbeitet hat.«
»Aber Lewis! Sie glauben doch nicht im Ernst, daß die anderen nicht mitbekommen hätten, daß Sie da waren? Überlegen Sie doch mal! Eine ihrer Kolleginnen ist ermordet worden. Ein Sergeant erscheint im Büro. Was meinen Sie denn, was die angenommen haben, warum Sie gekommen sind? Etwa, um die Schreibmaschinen zu warten? Nein, Lewis, Sie haben alles ganz richtig gemacht. Es ist nicht Ihre Schuld, daß eine der jungen Damen offenbar versucht hat, uns zu täuschen. Vermutlich denkt sie jetzt, es sei ihr gelungen, und das kann uns nur recht sein.« Er stand auf. »Ich möchte, daß Sie etwas Schlaf bekommen, Lewis, morgen wartet hier eine Menge Arbeit auf Sie. Aber suchen Sie mir, bevor Sie gehen, noch die Privatadresse von diesem Mr. Palmer heraus. Ich denke, ich sollte mal bei ihm vorbeischauen.«
»Sie wollen ihn um diese Zeit noch raustrommeln, Sir?«
»Ich werde ihn nicht nur, wie Sie so schön gesagt haben, raustrommeln , Lewis, sondern ihn außerdem noch bitten – natürlich sehr höflich –, das Büro für mich aufzuschließen, und dann werde ich die Schubladen seiner
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