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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wir fragen Sue, ob sie sich noch an die genaue Zeit erinnert. Was meinen Sie?«
    »Ja, das sollten wir tun«, stimmte er zu.
    Nachdem Jennifer den Raum verlassen hatte, sah sich Morse unzufrieden um. Er war müde. Doch plötzlich durchzuckte ihn eine Idee. Er sprang blitzschnell auf, griff sich › Villette ‹ , warf einen kurzen Blick auf die Innenseite des Deckels und placierte das Buch dann mit Schwung zurück auf die Armlehne. Einen Augenblick später kam Sue herein. Sie bestätigte, daß Jennifer irgendwann gegen acht zurückgekommen sei. An die genaue Zeit könne sie sich jedoch nicht erinnern. Morse verabschiedete sich. Die Angelegenheit mit dem Brief, die zu klären er Jennifer Coleby eigentlich überhaupt nur aufgesucht hatte, war bisher mit keinem Wort von ihm erwähnt worden, und er hatte nicht vor, jetzt noch damit anzufangen. Es würde sich schon eine Gelegenheit finden, sie damit zu konfrontieren.
    Morse saß ein paar Minuten in seinem Wagen und wartete, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. Eben dort drinnen hatte er seinen Augen nicht getraut. Dabei hatte er es schwarz auf weiß gesehen, oder vielmehr blau auf weiß.
    Während der vergangenen Jahre hatte er sich, was das Ausleihverfahren in den öffentlichen Bibliotheken Oxfords anging, mehr oder weniger unfreiwillig zu einem Experten entwickelt. Er schaffte es so gut wie nie, die von ihm ausgeliehenen Bücher fristgemäß zurückzubringen, und mußte deshalb fast jedesmal eine Säumnisgebühr zahlen. Die Bibliotheken liehen nominell für jeweils zwei Wochen aus, wobei als erster Tag der Ausleihwoche der Mittwoch angenommen wurde. Holte man sich an einem Mittwoch ein Buch, so mußte man es nach genau vierzehn Tagen an einem Mittwoch wieder zurückbringen. Es gab jedoch eine Möglichkeit, diese Frist zu strecken. Der Fristenstempel wurde nämlich nur einmal wöchentlich, und zwar jeweils am Donnerstagmorgen, um eine Woche weitergestellt. Lieh man sich sein Buch also an einem Donnerstag, so lag das Rückgabedatum zwei Wochen nach dem darauffolgenden Mittwoch – zwanzig Tage später. Dieser Turnus erleichterte den Bibliotheksangestellten ihre Arbeit und wurde auch von vielen Benutzern begrüßt, die froh waren, auf diese Art und Weise für die oft dicken Wälzer mehr als zwei Wochen Zeit zu haben. Morse hatte vor, sich auf alle Fälle noch einmal zu vergewissern, aber er hatte eigentlich keinen Zweifel, daß nur derjenige, der am Mittwoch kam, die knappe Zwei-Wochen-Frist einzuhalten hatte. Jennifer Coleby hatte behauptet, › Villette ‹ am letzten Mittwoch ausgeliehen zu haben. Demnach hätte der Fristenstempel auf der Innenseite des Deckels auf den 13. Oktober lauten müssen. Es war jedoch der 20. Oktober eingestempelt gewesen. Jennifer hatte ihn, was den Mittwochabend anging, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angelogen. Aber warum? Morse glaubte, die Antwort zu kennen.
    Er konnte sich nicht entschließen loszufahren und saß eine Weile völlig regungslos. Aus den Augenwinkeln sah er, daß sich die Gardine am Wohnzimmerfenster leicht bewegte. Sein Besuch hatte Unruhe ausgelöst. Um so besser. Er würde die junge Dame ein wenig schmoren lassen. Nach einiger Zeit hatte er das Gefühl, er brauche frische Luft. Er stieg aus, schlenderte gemächlich die Straße hinunter und bog dann nach links in die Banbury Road. Hier legte er einen Schritt zu. Er brauchte neuneinhalb Minuten bis zur Summertown Bibliothek. Er trat dicht an die Tür. Auf einem kleinen Schild stand DRÜCKEN. Er drückte jedoch vergeblich. Die Bibliothek war seit zwei Stunden geschlossen.

Kapitel 8 – Samstag, 2. Oktober
     
    Margaret Crowther hatte dem Wochenende nie viel abgewinnen können. Sie erledigte einen Großteil der häuslichen Pflichten am Samstag oder Sonntag und sorgte so dafür, daß auch ihrem Mann sowie ihrer zwölfjährigen Tochter und ihrem zehn Jahre alten Sohn die beiden freien Tage mehr oder weniger verdorben wurden. Margaret hatte eine Halbtagsstelle als Sekretärin am Institut für Orientalistik und hegte unausgesprochen den Verdacht, daß sie während der Woche wesentlich mehr und härter arbeitete als ihr immer liebenswürdiger, realitätsfremder Ehemann und ihre phlegmatischen, immer nur fordernden Kinder zusammengenommen. Das Wochenende war ihnen erst recht Anlaß, alle viere von sich zu strecken, und keiner versetzte sich auch nur einen Augenblick lang in ihre Lage. Manchmal hatte sie das Gefühl, als würde sie im nächsten Moment

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