Der Letzte Bus Nach Woodstock
nicht mehr darauf an.
Morse fügte auf seinem Zettel eine weitere Zahl hinzu. »Eine letzte Frage an Sie, Lewis. Wie viele davon haben ein rotes?«
Lewis ging ans Fenster und sah auf den Strom der vorüberfahrenden Autos hinunter. Zwei schwarze, ein beigefarbenes, zwei weiße, ein grünes, ein gelbes, ein dunkelblaues, wieder zwei schwarze. Rote Autos schienen seltener zu sein. »Eins von zehn, Sir.«
»Wow! Lewis. Wir haben es geschafft. Sie sind ein Genie!«
Der Sergeant bedankte sich für das Kompliment, verstand allerdings nicht ganz, wie er dazu kam. »Lewis, wir suchen nach einem Mann, wohnhaft in Nord-Oxford, verheiratet – wahrscheinlich Kinder. Er geht des öfteren in den Pub, manchmal auch nach Woodstock. Gebildet – vielleicht lehrt er an einem der Colleges. Sein Alter liegt zwischen 35 und 45. Er besitzt offenbar einen gewissen Charme, mit dem er junge Mädchen für sich einzunehmen vermag. Und schließlich und endlich: Er fährt ein Auto, genauer gesagt, ein rotes.«
»Da gibt es viele«, sagte Lewis nüchtern.
»Selbst wenn wir uns in dem einen oder anderen Punkt geirrt haben sollten«, fuhr Morse fort, »im großen und ganzen stimmt das Bild, das ich Ihnen hier eben entworfen habe. Und, Lewis, im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Meinung, es sind nicht viele Männer, auf die diese Beschre i bung zutrifft. Hier, sehen Sie mal.« Er reichte Lewis das Blatt, auf dem er die geschätzten Zahlen notiert hatte.
Nord-Oxford 10 000
Männer 2 500
35-45 1 250
Verheiratet 1 000
Pub-Gänger 500
IQ oberste 5% 25
Charme 15
Auto 10
rotes Auto 1
Lewis fühlte angesichts dieses bemerkenswerten Ergebnisses ein starkes Unbehagen. Daran war nur er mit seinen Schätzungen schuld. Er stellte sich ans Fenster. Im schwächer werdenden Licht der späten Nachmittagssonne sah er gleich zwei rote Autos hintereinander vorbeifahren. Hätte er sich auf diese Sache bloß nicht eingelassen! Was wußte er denn, wie viele Leute in Nord-Oxford wohnten! Ob er tatsächlich zu den oberen 15 Prozent gehörte? Das war wohl doch etwas übertrieben. Ins obere Viertel vielleicht, das mochte noch angehen. »Wir müssen die Zahlen unbedingt noch überprüfen, Sir. Das läßt sich ja leicht machen. Und ich glaube, man darf damit nicht so willkürlich umgehen. Es gibt da, soviel ich weiß, irgendwelche statistischen Methoden, die man anwenden muß.« Jetzt hatte er es wenigstens gesagt. Er kannte sich zwar auch nicht genau aus, seine Erinnerung daran war nur sehr verschwommen, aber daß Zahlen nicht einfach Spielmaterial waren, mit denen man ganz nach Belieben verfahren konnte, das wußte er immerhin. Aber Morse war eben nicht ganz gesund. In ein oder zwei Tagen würde es ihm besser gehen. Bis dahin war es wahrscheinlich am klügsten, alles mitzumachen, um ihn nicht aufzuregen. Vielleicht war ja auch wirklich etwas dran. Er griff nach dem Blatt mit den Zahlen. Neun Angaben – neun Fragezeichen. Mutlos starrte er nach draußen und unterschied ganz automatisch zwischen roten Autos und der Masse der anderen. Ein rotes Auto unter zehn. Also doch! Nord-Oxford als Wohnort anzunehmen, war natürlich wirklich gewagt. Andererseits, irgendwo mußte er ja schließlich wohnen. Vielleicht hatte der Chef so etwas wie eine Eingebung gehabt. Er sah wieder auf die Zahlen. IQ oberste 5% – wenn man nur sicher sein könnte, daß er den Brief auch tatsächlich geschrieben hatte.
»Na, Lewis, was halten Sie davon?«
»Ein Versuch kann ja nicht schaden.«
»Wie viele Männer brauchen Sie dazu?«
»Bevor wir irgend etwas anfangen, sollten wir vielleicht erst noch mal überlegen.«
»Was denn überlegen?«
»Wir müssen ja vielleicht nicht alles selber machen. Wir können uns doch zum Beispiel auf dem Wege der Amtshilfe ein Verzeichnis der Einwohner von Nord-Oxford besorgen.«
»Sie haben recht, Lewis. Wir sollten noch einmal nachdenken, bevor wir grünes Licht geben.«
»Genau das habe ich gemeint, Sir. Wir können uns dann morgen früh zusammensetzen, wenn Sie sich das zutrauen.«
»Wenn Sie sich das zutrauen, können wir uns auch gleich zusammensetzen, Sergeant.«
»Ganz wie Sie wollen, Sir.«
Er rief zu Hause an. Seine Frau war diese Art Anrufe schon gewöhnt.
Morse und Lewis besprachen zwei Stunden lang die Vorbereitung der Aktion und die Einzelheiten ihrer Durchführung. Nachdem der Sergeant gegangen war, griff Morse zum Telefon. Er hatte Glück. Der Chief Superintendent war noch in seinem Büro. Morse benötigte längere Zeit, um
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