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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ihm sein Vorhaben auseinanderzusetzen und fluchte innerlich, daß er den Anruf nicht als R-Gespräch angemeldet hatte.

Kapitel 13 – Samstag, 9. Oktober
     
    Am Samstag, dem 9. Oktober, saß Bernard Crowther morgens im vorderen Zimmer seines Hauses am Schreibtisch und versuchte, sich auf einen Abschnitt aus dem ersten Buch von Miltons › Das verlorene Paradies ‹ zu konzentrieren. Doch die Begeisterung, mit der er sonst die Miltonschen Verse las, wollte sich heute nicht einstellen. Das Werk würde im kommenden Herbsttrimester Gegenstand seiner Vorlesung sein, und obwohl er es gut kannte, hatte er doch das Gefühl, noch etwas dafür tun zu müssen. Margaret war mit dem Bus nach Summertown zum Einkaufen gefahren, und es war vereinbart, daß er sie gegen Mittag mit dem Wagen dort abholen sollte. Die Kinder waren bei irgendwelchen Freunden.
    Als es plötzlich draußen klingelte, war er überrascht. Sie hatten so gut wie nie unangemeldet Besuch. Vielleicht war es der Fleischer. Er öffnete die Tür.
    »Hallo, Peter! Das ist aber eine seltene Freude. Komm doch rein.« Peter Newlove und Bernard kannten sich seit Jahren. Sie hatten beide zur selben Zeit am Lonsdale College angefangen und sich damals gleich gemocht.
    »Was hat dich denn nach Nord-Oxford verschlagen? Ich dachte, du spielst Samstag vormittags immer Golf?«
    »Ich habe mich heute morgen nicht dazu überwinden können. Bei diesen Temperaturen ist es mir auf dem Golfplatz zu unangenehm.«
    Vor zwei Tagen hatte es einen Kälteeinbruch gegeben. Mit den milden, warmen Herbsttagen war es vorbei. Das Wetter war grau und trostlos.
    Peter setzte sich. »Ich sehe, du arbeitest. Und das am Samstag morgen?«
    »Ich will mich schon ein bißchen auf nächste Woche vorbereiten.«
    Peter stand auf und zog das Buch zu sich herüber. »Was liest du denn da? Ah – › Das verlorene Paradies ‹ . Damit habe ich mich während meiner Schulzeit auch mal beschäftigen müssen.«
    »Und seitdem ist es dir zu einem treuen Begleiter geworden, den du nicht mehr missen möchtest, nehme ich an.«
     
    »Wo er vom Morgen bis zum Mittag fiel,
    Und immerfort bis zum betauten Abend;
    Worauf er mit der Sonne vom Zenit
    Ein fallender Stern herab auf Lemnos sank«,
     
    deklamierte Peter, ohne ins Buch zu sehen. »Na, wie findest du das?«
    »Sehr schön.« Bernard sah aus dem Fenster. Auf dem Rasen vor dem Haus lag Rauhreif.
    »Bedrückt dich eigentlich etwas, Bernard?« Die Direktheit der Frage war durch den Ton freundlicher Anteilnahme gemildert.
    »Nein, wieso? Wie kommst du darauf?« Für Peter war es mit Händen zu greifen, daß Bernard ihm auswich.
    »Nur so. Ich hatte Mittwoch den Eindruck, als läge dir etwas auf der Seele. Du bist hinterher auch so schnell verschwunden.«
    »Mir war eingefallen, daß Margaret ihren Kursabend hatte und die Kinder vor der verschlossenen Haustür stehen würden.«
    »Ah ja.«
    »War mein Verhalten so auffällig?«
    »Nein. Überhaupt nicht. Ich habe nur zwischendurch immer mal zu dir hinübergesehen. Du warst so wortkarg, als du bei mir hereingeschaut hast, und ich dachte, dir fehlt irgendwas.« Bernard schwieg. »Gibt es zwischen dir und Margaret Probleme?«
    »Nein, alles bestens. Ich muß nachher gleich losfahren, ich bin um zwölf in Summertown mit ihr verabredet. Wie spät ist es eigentlich?«
    »Halb zwölf.« Peter stand auf.
    »Du brauchst nicht gleich aufzustehen. Wir können noch einen Schluck zusammen trinken. Dafür reicht die Zeit schon. Was willst du haben?«
    »Trinkst du mit?«
    »Was denkst denn du? Whisky?«
    »Ja, gut.«
    Bernard ging in die Küche, um die Gläser zu holen. Peter blickte aus dem Fenster. Zwei oder drei Häuser weiter links parkte ein Streifenwagen. Der hatte, als er kam, noch nicht da gestanden. Aus einem der Vorgärten trat jetzt ein Constable. Er wurde von einer Frau in Schürze und Hausschuhen begleitet, die ihm wortreich und mit lebhaften Handbewegungen irgend etwas zu erklären versuchte. Offenbar hatte er ihr eine weitere Frage gestellt, denn sie begann von neuem heftig zu gestikulieren. Sieht fast so aus, als zeige sie hierher, dachte Peter. Die Frau auf dem Bürgersteig hob fröstelnd die Schultern und rieb sich die Arme, genoß es aber anscheinend, einen so geduldigen und aufmerksamen Zuhörer gefunden zu haben.
    Bernard kam herein, ein Tablett mit Gläsern in der Hand. Er setzte es ab und holte den Whisky. »Soviel – oder mehr?«
    »Was sucht denn die Polizei am Samstag morgen hier in der Straße? Hast du

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