Der Letzte Bus Nach Woodstock
überhöhter Geschwindigkeit davon.
Zehn Minuten später war Peter auf dem Weg nach Woodstock und dankte wieder einmal seinem Geschick, daß er nie geheiratet hatte. Dreißig, vierzig, vielleicht sogar fünfzig Jahre ein und dieselbe Frau, das wäre nichts für ihn. Ob Bernard und Margaret noch ab und zu von plötzlicher Leidenschaft gepackt wurden und für eine wilde halbe Stunde miteinander im Bett verschwanden? Er glaubte nicht so recht daran. Dabei … Er stellte sich Gaye vor, wie sie sich für ihn auszog, und trat stärker auf das Gaspedal.
Constable McPherson rannte über den Platz vor dem Präsidium. Er war lange nicht mehr so aufgeregt gewesen. Endlich einmal hatte er einen Erfolg zu verzeichnen. Während der kurzen Fahrt von Nord-Oxford nach Kidlington hatte er sich geradezu euphorisch gefühlt. Seit er vor vier Jahren in den uniformierten Dienst eingetreten war, hatte er Tag für Tag daraufgewartet, sich einmal hervortun zu können, aber es war ihm nicht vergönnt gewesen. Er hatte weder eine aufsehenerregende Festnahme vorgenommen, noch war er Zeuge eines spektakulären Verbrechens geworden. Aber heute hatte er endlich seine Chance bekommen! Kurz vor dem Kreisverkehr am oberen Ende der Banbury Road hatte er Blaulicht und Sirene eingeschaltet und das verschreckte Zur-Seite-Weichen der anderen Autofahrer genossen. Er hatte diesen Respekt verdient – heute allemal.
In der Eingangshalle blieb er einige Sekunden unschlüssig stehen.
Sollte er sich erst beim Sergeant melden oder gleich beim Chief Inspector? Letzteres schien der Bedeutung der Sache eigentlich angemessener, und er ging durch die langen Korridore hinunter bis zu Morses Tür und klopfte.
Das Herein war kaum zu verstehen.
»Na, was führt Sie zu mir, Constable?«
McPherson erstattete mit beeindruckender Knappheit Bericht, und Morse beglückwünschte ihn zu dem, was er herausgefunden hatte. Der Constable bekam vor Freude rote Ohren und drehte verlegen seine Uniformmütze zwischen den Händen. Er wunderte sich ein bißchen, daß Morse völlig gelassen blieb und keinerlei Anstalten machte, den Polizeiapparat in Bewegung zu setzen. Das hatte er sich eigentlich anders vorgestellt. Aber die Hauptsache war schließlich, daß er seine Aufgabe erledigt hatte. Und zwar gut.
»Entschuldigen Sie, daß ich nicht aufstehe – die Gicht, es hat sich sicher schon herumgesprochen …« Morse schüttelte dem jungen Constable herzlich die Hand. »Ich werde Sorge tragen, daß man höheren Orts davon erfährt.«
Nachdem McPherson gegangen war, sah er einige Minuten nachdenklich vor sich hin. Der Bericht des Constable war für ihn keine Neuigkeit mehr gewesen. Aber er hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm das zu sagen, und immerhin war das Ganze sowieso sein Verdienst, sein Handeln hatte die Ereignisse ins Rollen gebracht. Trotzdem wäre McPherson sicher enttäuscht gewesen, wenn er gewußt hätte, daß jemand ihm durch einen Anruf zuvorgekommen war. Der Anrufer war ein Mr. Bernard Crowther gewesen, und er hatte mitgeteilt, er wünsche eine Erklärung abzugeben.
Er hatte darauf bestanden, noch am selben Nachmittag vorbeizukommen, er wolle jedoch auf keinen Fall von einem Polizeiauto abgeholt werden. Als Zeuge, der sich aus freien Stücken zur Verfugung stelle und eventuell wichtige Hinweise geben könne, dürfe er wohl erwarten, nicht wie ein gemeiner Verbrecher vorgeführt zu werden. Morse hatte ihm das sofort zugestanden, und Crowther hatte sich für halb drei angesagt.
Morse bat um Entschuldigung, er könne leider nicht aufstehen. Sein erster Eindruck von Crowther war überraschend positiv. Er war nervös, das war sehr deutlich, aber davon abgesehen, besaß er einen etwas linkischen Charme und eine scheue Ernsthaftigkeit, die Morse für ihn einnahmen. Genau der Typ Mann, in den manche Frauen sich blind verliebten, dachte Morse.
»Sehen Sie, Inspector – oder wohl eher Chief Inspector? –, sehen Sie, dies ist heute für mich das erste Mal, daß ich mit der Kriminalpolizei zu tun habe. Ich bin mit Ihrer Arbeitsweise nicht vertraut, und deshalb habe ich mich vorsichtshalber zu Hause noch schnell hingesetzt und das, was ich zu sagen habe, schriftlich festgehalten. Ich hoffe, Sie können damit etwas anfangen.«
Kapitel 14 – Samstag, 9. Oktober
Am Mittwoch, dem 29. September, verließ ich gegen 18 Uhr 45 mein Haus in der Southdown Road in Nord-Oxford. Ich fuhr zum Kreisverkehr am Ende der Banbury Road, nahm dann die A 40, die auf diesem
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