Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Schwesterntracht geradezu hinreißend aussah, aber er war sowieso immer schon der Ansicht gewesen, daß sie die Weiblichkeit einer Frau viel stärker zur Geltung brachte als das raffinierteste Abendkleid. »Sie haben recht, das war eine dumme Frage«, sagte er reumütig. Sie lächelte wieder, und ihm klopfte das Herz.
    »Warum setzen Sie sich nicht«, bat Morse. »Wir könnten ein bißchen miteinander reden. Das ist doch eine gute Gelegenheit.«
    »Es tut mir leid, Inspector, aber das geht nicht. Ich bin im Dienst.«
    »Ach so – ja natürlich.« Er war enttäuscht.
    »Also dann …«
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte Morse. »Ich würde mich wirklich gern mal länger mit Ihnen unterhalten. Warum treffen wir uns nicht, wenn Sie frei haben.«
    »Ich muß bis sechs hierbleiben.«
    »Das macht ja nichts. Dann komme ich um sechs …«
    »Und anschließend gehe ich nach Hause und esse schnell etwas, und um sieben …«
    »Sie sind schon verabredet.«
    »Ich habe heute abend schon etwas vor, ja.«
    »Der Glückliche«, murmelte Morse. »Und wie ist es mit morgen?«
    »Nein, morgen geht nicht.«
    »Dann Mittwoch?« Morse überlegte resigniert, ob es überhaupt Zweck habe, sie noch weiter zu fragen. Ihre Antwort war wie ein unerwartetes Geschenk.
    »Ja, am Mittwoch hätte ich Zeit.«
    »Wirklich?« Sie verabredeten sich für halb acht in The Bird and Baby , einem Pub in der St. Giles Street. Morse war aufgeregt wie in seiner Tanzstundenzeit. Er mußte aufpassen, daß er sich nicht lächerlich machte. »Ich werde Sie selbstverständlich nach Hause bringen, aber den Hinweg finden Sie wohl allein, oder? Der Bus hält gleich gegenüber.«
    »Ich bin ja schließlich kein kleines Kind mehr, Inspector.«
    »Gut. Dann bis übermorgen.« Sie wandte sich zum Gehen. »Ach, eine Frage noch …« Sie drehte sich um. »Ich weiß Ihren Nachnamen gar nicht.«
    »Widdowson – aber Sie können mich Sue nennen.«
    »Ist das ein besonderes Privileg für Ihre Freunde?«
    »Nein«, sagte sie freundlich, »alle nennen mich so.«
     
    In den ersten Tagen war er mit gleichsam traumwandlerischer Sicherheit an den Fall herangegangen, so als sei ein Teil von ihm bereits im Besitz der Lösung. Auf dem Hof des Black Prince an der Leiche des ermordeten Mädchens hatte er auf einmal das Gefühl gehabt, als sähe er das Grundmuster von Verstrickungen vor sich, deren Opfer Sylvia Kaye geworden war. Er hatte gedacht, das einzige was ihm zu tun übrigbliebe, sei, die Dinge, die ihm im Laufe der Ermittlungen zur Kenntnis gelangen würden, entsprechend diesem Muster zu ordnen. Das war der Grund, warum er – wie ihm erst jetzt im nachhinein klarwurde – alles, was er später erfuhr, mit so etwas wie einem Vorurteil gesehen hatte, nur im Hinblick darauf, ob es in das Grundmuster paßte. Aber inzwischen kam es ihm so vor, als seien die Fakten von Mal zu Mal sperriger. Wenn es nicht an den Fakten lag, dann blieb nur die Alternative, daß das Grundmuster nicht stimmte. Früher war er manchmal am Nachmittag vor einem Rennen die Liste der gemeldeten Reiter und Pferde durchgegangen, hatte die Augen geschlossen und versucht, sich die Schlagzeilen in der Morgenpresse vorzustellen. Mit Unbehagen erinnerte er sich daran, daß seine Schlagzeilen nie Realität geworden waren. Was allerdings den Fall Kaye anging, so mußte er – wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war – zugeben, daß er völlig unvernünftigerweise noch immer glaubte, auf dem richtigen Weg zu sein. Für Lewis, da machte er sich keine Illusionen, war sein Verhalten nichts als Sturheit. Seine Vorgesetzten nannten es mangelnde Flexibilität.
    Dem Sergeant, den er vor einer Stunde zu sich gerufen hatte, und der ihm jetzt gegenübersaß, wäre im Zweifelsfall seine Sturheit allerdings wohl immer noch lieber gewesen als jener andere Charakterzug in Morse, der dazu geführt hatte, daß sich Lewis mit einem Auftrag bedacht sah, gegen den sich alles in ihm sträubte.
    »Halten Sie das für korrekt, es so anzufangen?« fragte er, obwohl er wußte, daß die Antwort nichts ändern würde.
    »Von korrekt habe ich nichts gesagt.«
    »Wahrscheinlich verstoße ich damit sogar gegen das Gesetz«, sagte Lewis bitter.
    »Schon möglich.«
    »Aber Sie wollen trotzdem, daß ich es mache.« Morse hüllte sich in Schweigen.
    »Und um wieviel Uhr?«
    »Sobald er aus dem Haus ist.«
    »Und wie soll ich feststellen …«
    Morse explodierte. »Meine Güte, Sergeant, das werden Sie ja wohl noch herauskriegen. Benutzen Sie

Weitere Kostenlose Bücher