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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Vorhänge, drehte sich um und betrachtete sein neues Heim. Nach einer Weile zog er die Decke zusammen mit den Laken vom Bett und machte es neu mit seiner eigenen Bettwäsche. Es war nur ein kleines Stück Kontinuität, aber er fühlte sich nicht mehr so einsam. Es gab ihm zudem das Gefühl, daß er wußte, was er mit seinem Leben anfing, und ließ ihn für ein paar Momente Harvey Pounds vergessen.
    Bosch setzte sich auf das frisch gemachte Bett, lehnte sich gegen die Kissen am Kopfteil und steckte sich noch eine Zigarette an. Er studierte die Wunden an seinen Fingern und sah, daß rosa Haut den Schorf ersetzt hatte. Sie verheilten gut. Er hoffte, der Rest von ihm würde ebensolche Fortschritte machen. Allerdings bezweifelte er es. Er wußte, daß er verantwortlich war. Und daß er dafür bezahlen müßte. Irgendwie.
    Ganz in Gedanken nahm er das Telefon vom Nachttisch und stellte es sich auf die Brust. Es war alt und hatte noch eine Wählscheibe. Bosch hob den Hörer und sah auf die Zahlen. Wen sollte er anrufen? Was würde er sagen? Er legte den Hörer wieder ab und setzte sich auf. Er kam zu dem Schluß, daß er rausgehen mußte.

38
    M onte Kim wohnte auf der Willis Avenue in Sherman Oaks, inmitten einer Geisterstadt von Apartmentgebäuden, die seit dem Erdbeben nicht mehr bewohnbar waren. Kims Apartment befand sich in einem grau-weißen Haus im Cape-Cod-Stil, das zwischen zwei unbewohnten Gebäuden stand. Zumindest sollten sie unbewohnt sein. Als sich Bosch mit seinem Wagen näherte, sah er, wie in einem der Häuser Lichter ausgingen. Wahrscheinlich Hausbesetzer. Wie Bosch waren sie immer auf der Hut vor dem Bauinspektor. Kims Gebäude sah aus, als wäre es vom Erdbeben verschont geblieben oder wieder instand gesetzt worden.
    Bosch bezweifelte das letztere. Das Gebäude war entweder Zeugnis der willkürlichen Naturgewalt oder das Werk eines Unternehmens, das keine Bauvorschriften umgangen hatte.
    Es war ein normales, viereckiges Gebäude mit Wohnungstüren auf beiden Seiten. Um zu dem Haus zu gelangen, mußte man jedoch erst durch ein fast zwei Meter hohes Tor, das elektronisch geöffnet wurde. Polizisten wußten, daß solche Tore den Bewohnern nur ein Gefühl von Sicherheit verschafften, in Wirklichkeit aber wertlos waren. Sie errichteten nur eine Barriere für ehrliche Besucher. Die anderen kletterten einfach hinüber. Als sich Kim durch die Sprechanlage meldete, sagte Bosch nur, daß er von der Polizei sei, und das Tor öffnete sich. Auf dem Weg zu Apartment 8 holte er das Etui mit der Dienstmarke heraus. Kim öffnete die Tür einen Spalt, und Bosch hielt ihm das geöffnete Etui hastig vors Gesicht – dabei verdeckte er mit dem Finger die Inschrift LIEUTENANT. Dann zog er seine Hand schnell wieder zurück und steckte die Dienstmarke weg.
    »Entschuldigen Sie, ich habe den Namen nicht lesen können«, sagte Kim.
    »Hieronymus Bosch. Aber man nennt mich Harry.«
    »Sie wurden nach dem Maler benannt.«
    »Manchmal fühle ich mich so alt, daß ich denke, er wurde nach mir benannt. Heute ist so ein Tag. Kann ich reinkommen? Es sollte nicht lange dauern.«
    Kim machte einen überraschten Eindruck und führte ihn ins Wohnzimmer. Der Raum war ausreichend groß und aufgeräumt. Eine Couch, zwei Sessel und ein Fernseher neben einem Kamin, der mit Gas betrieben wurde. Bosch setzte sich an ein Ende der Couch. Neben Kims Sessel lag ein weißer Pudel und schlief. Kim war korpulent und hatte ein breites, gerötetes Gesicht. Die Bügel seiner Brille drückten sich an seinen Schläfen ein, und die spärlichen Reste seines Haars waren braun gefärbt. Er trug eine rote Strickjacke über einem weißen Hemd und alte Khaki-Hosen. Bosch schätzte, daß er noch nicht sechzig war. Er hatte einen älteren Mann erwartet.
    »An dieser Stelle sollte ich wohl fragen, worum es sich handelt.«
    »Ja, und ich sollte es Ihnen erklären. Das Problem ist, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich untersuche eine Reihe von Morden, und Sie können wahrscheinlich helfen. Könnten wir es so handhaben, daß ich Ihnen erst Fragen über ein paar alte Fälle stelle, und danach erkläre ich Ihnen, worum es geht?«
    »Ein bißchen ungewöhnlich aber …«
    Kim winkte mit der Hand ab. Er hatte keine Probleme mit dem Vorschlag. Er rückte sich in seinem Sessel zurecht, um bequemer zu sitzen, und schaute nach dem Hund. Dann kniff er die Augen zusammen, als helfe ihm das beim Verstehen und Beantworten der Fragen. Bosch bemerkte, daß sich eine

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