Der letzte Coyote
Schweißschicht auf seiner fast kahlen Kopfhaut bildete.
»Sie waren Reporter für die Times. Wie lange?«
»Ach Gott, nur ein paar Jahre, Anfang der Sechziger. Woher wissen Sie das?«
»Mr. Kim, lassen Sie mich zuerst die Fragen stellen. Was war Ihr Ressort?«
»Damals nannte man uns Frischlinge. Ich habe Polizeiberichte geschrieben.«
»Was tun Sie jetzt?«
»Public Relations. Im Moment arbeite ich von zu Hause aus. Ich habe ein Büro oben. Früher hatte ich eins in Reseda, aber das Gebäude mußte abgerissen werden. Man konnte durch die Risse nach draußen sehen.«
Wie die meisten Menschen in L. A. erwähnte er nicht extra, daß er von Erdbebenschäden sprach. Das verstand sich von selbst.
»Ich habe einige kleine Aufträge«, fuhr er fort. »Ich war für das GM-Werk in Van Nuys in der Öffentlichkeitsarbeit tätig, bis es geschlossen wurde. Dann habe ich mich selbständig gemacht.«
»Warum haben Sie damals bei der Times gekündigt?«
»Ich … Verdächtigen Sie mich wegen irgend etwas?«
»In keiner Weise, Mr. Kim. Ich möchte Sie nur etwas näher kennenlernen. Tun Sie mir den Gefallen. Ich werde dann zur Sache kommen. Sie wollten gerade sagen, warum Sie kündigten.«
»Nun, ich bekam eine bessere Stelle. Man bot mir den Posten des Pressesprechers für den damaligen District Attorney, Arno Conklin, an. Ich habe angenommen. Mehr Geld, interessantere Arbeit und eine glänzende Zukunft.«
»Was meinen Sie mit ›glänzender Zukunft‹?«
»Nun, da hatte ich mich getäuscht. Als ich das Angebot annahm, dachte ich, daß ich mit Arno Karriere machen würde. Er war gut. Ich dachte, daß ich irgendwann – falls ich weiter für ihn arbeitete – mit ihm in den Gouverneurspalast einziehen oder in Washington im Senat landen würde. Aber es ging anders aus. Endstation war ein Büro in Reseda mit Rissen, durch die der Wind pfiff. Ich verstehe nicht, weshalb sich die Polizei dafür interessieren …«
»Warum ging es so aus? Was passierte mit Conklin?«
»Da müssen Sie jemand anders fragen. Ich weiß nur, daß er achtundsechzig für das Amt des Generalstaatsanwalts von Kalifornien kandidieren wollte und keinen ernsthaften Konkurrenten hatte. Und dann … stieg er aus dem Rennen. Er verließ die Politik und arbeitete als Rechtsanwalt. Und zwar nicht, um dicke Honorare von der Wirtschaft einzustecken, wie das die meisten ehemaligen District Attorneys tun. Nein, er machte eine Ein-Mann-Anwaltspraxis auf. Ich bewunderte ihn. Soviel ich weiß, war mindestens sechzig Prozent seiner Tätigkeit pro bono, für die er kein Honorar nahm.«
»So als würde er Buße tun?«
»Ich weiß nicht. Kann sein.«
»Warum stieg er aus dem Rennen?«
»Ich weiß nicht.«
»Gehörten Sie nicht zum engeren Kreis?«
»Nein. Er hatte keinen Kreis. Er hatte einen Mann.«
»Gordon Mittel.«
»Richtig. Wenn Sie wissen wollen, warum er ausstieg, fragen Sie Gordon.« Dann erst ging ihm auf, daß Bosch den Namen Gordon Mittel ins Gespräch eingeführt hatte. »Geht es um Gordon Mittel?«
»Lassen Sie mich noch ein paar Fragen stellen. Warum glauben Sie, wollte Conklin nicht mehr kandidieren? Sie müssen irgendeine Vermutung haben.«
»Nun, seine Kandidatur war noch nicht offiziell. Daher mußte er keine öffentliche Erklärung abgeben, als er ausschied. Er hat einfach nicht kandidiert. Allerdings gab es eine Menge Gerüchte.«
»Was zum Beispiel?«
»Alles mögliche. Daß er schwul war und anderes. Finanzielle Schwierigkeiten. Eine Drohung von der Mafia, daß sie ihn umbringen würden, falls er gewänne. Und ähnliche Sachen. Das meiste war nicht mehr als Stammtischgerede.«
»War er je verheiratet?«
»Nicht daß ich wüßte. Aber ich glaube nicht, daß er schwul war. Dafür habe ich keine Anzeichen gesehen.«
Bosch stellte fest, daß Kims Schädel inzwischen schweißbedeckt war. Es war warm in dem Zimmer, aber er behielt die Strickjacke an. Bosch wechselte abrupt das Thema.
»Okay, erzählen Sie mir, wie Johnny Fox umkam.«
Bosch sah, wie sich Kims Augen hinter den Gläsern weiteten, als er den Namen hörte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber es reichte.
»Johnny Fox, wer ist das?«
»Ach Monte, das sind doch alte Geschichten, und niemand wird Ihnen deshalb etwas anhaben wollen. Ich will nur die Story hinter der Story hören. Deshalb bin ich hier.«
»Sie meinen aus der Zeit, als ich Reporter war? Ich habe viele Artikel geschrieben. Das war vor fünfunddreißig Jahren. Damals war ich jung. Ich kann mich nicht
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