Der letzte Coyote
Stereoanlage, zwei Kisten mit seiner Sammlung von Jazz und Bluesplatten sowie CDs. Beim Anblick seiner Habseligkeiten überkam ihn ein Gefühl der Trostlosigkeit. Es war eine ganze Menge, wenn man es in einen Mustang laden wollte, aber nicht viel für fünfundvierzig Jahre auf diesem Planeten.
»Ist das alles?«
Bosch drehte sich um. Es war Gowdy. In der einen Hand hielt er einen Hammer, in der anderen eine Verschlußspange. Ein Vorhängeschloß mit Schlüssel hing von einer Gürtelschnalle herab.
»Ja«, sagte Bosch. »Tun Sie Ihre Pflicht.«
Er trat zurück, und Gowdy machte sich an die Arbeit. Der Inspektor hatte gerade mit dem Hämmern begonnen, als sich Boschs Telefon meldete. Er hatte Keisha Russel ganz vergessen.
Das Handy steckte diesmal in seiner Jackentasche. Er nahm es heraus und klappte es auf.
»Ja, hier Bosch.«
»Detective, hier ist Dr. Hinojos.«
»Oh … Hallo.«
»Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, das heißt, ich habe jemand anders erwartet. Ich muß die Leitung freihalten. Kann ich Sie zurückrufen?«
Bosch sah auf die Uhr. Es war fünf vor sechs.
»Ja«, sagte Hinojos. »Ich bin bis halb sieben in meinem Büro. Ich wollte mit Ihnen über etwas sprechen und hören, wie es Ihnen seit vorhin noch ergangen ist.«
»Es ist alles in Ordnung. Aber ich werde Sie zurückrufen.«
Sowie er das Telefon zuklappte, klingelte es wieder.
»Bosch.«
»Bosch, die Uhr läuft. Ich habe keine Zeit für fromme Reden.« Es war Russel. Anscheinend hatte sie auch keine Zeit, ihren Namen zu nennen. »Im Artikel wird stehen, daß die Ermittler im Fall Harvey Pounds eine polizeiinterne Spur verfolgen und daß Detectives heute mehrere Stunden mit Ihnen gesprochen hätten. Ihr Haus sei durchsucht worden, und man betrachte Sie als Hauptverdächtigen.«
»Hauptverdächtiger? Kein Detective verwendet diesen Begriff, Keisha. Jetzt weiß ich, daß Sie mit einem dieser scheelen Typen vom DIE gesprochen haben. Selbst wenn ein Täter denen in den abgewetzten Hosenboden beißen würde, würden sie ihn nicht fangen.«
»Versuchen Sie nicht das Thema zu wechseln. Meine Frage ist einfach. Haben Sie einen Kommentar zu diesem Artikel für morgen, oder nicht? Wenn Sie etwas sagen wollen, habe ich gerade noch genug Zeit, um es in die Frühausgabe zu bringen.«
»Offiziell: kein Kommentar.«
»Und inoffiziell?«
»Inoffiziell und ohne Erlaubnis, das in irgendeiner Weise zu drucken, kann ich Ihnen mitteilen, daß Sie nur Scheiße im Kopf haben, Keisha. Die Story ist falsch. Ganz und gar falsch. Wenn Sie sie so bringen, wie Sie sie zusammengefaßt haben, dann werden Sie morgen einen Widerruf verfassen müssen, in dem steht, daß ich in keiner Weise tatverdächtig bin. Und danach werden Sie sich nach einem anderen Ressort umsehen müssen.«
»Und weshalb?« fragte sie hochnäsig.
»Weil das Ganze eine Verleumdungskampagne ist. Lanciert und fabriziert vom DIE. Jeder Cop in dieser Stadt, der das morgen lesen wird, weiß das, und er weiß auch, daß Sie darauf reingefallen sind. Man wird Sie für Brockmans Sprachrohr halten. Niemand, der für Sie als Informationsquelle wichtig ist, wird mit Ihnen noch etwas zu tun haben wollen. Mich eingeschlossen. Danach dürfen Sie nur noch über die Polizeikommission berichten und Presseerklärungen umschreiben. Und, natürlich, wann immer Brockman jemanden durch den Dreck ziehen will, braucht er nur zum Telefon zu greifen und Sie anzurufen.«
An beiden Enden der Leitung war es still. Bosch schaute zum Himmel und sah, wie er sich mit dem beginnenden Sonnenuntergang rosa färbte. Er sah auf die Uhr. Vor einer Minute war Redaktionsschluß gewesen.
»Sind Sie da, Keisha?«
»Bosch, Sie machen mir angst.«
»Sie sollten Angst haben. Sie haben eine Minute, um eine sehr wichtige Entscheidung zu treffen.«
»Eine Frage. Haben Sie Pounds vor zwei Wochen angegriffen und durch eine Glasscheibe gestoßen?«
»Offiziell oder inoffiziell?«
»Das ist egal. Ich brauche eine Antwort. Schnell!«
»Inoffiziell: Ja, das ist mehr oder weniger korrekt.«
»Nun, das sollte Sie doch zu einem Verdächtigen in diesem Fall machen. Ich sehe nicht …«
»Keisha, ich war drei Tage lang nicht in Kalifornien. Ich bin heute zurückgekommen. Brockman hat mich ins Parker Center gebracht und noch nicht einmal eine Stunde mit mir gesprochen. Mein Alibi stimmte, und ich konnte gehen. Im Moment stehe ich vor meinem Haus. Hören Sie das Hämmern? Das ist mein Haus. Ich habe einen Handwerker hier. Dürfen
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