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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sich in einem Gebäude. Auf der anderen Seite des dunklen Raums konnte Bosch einen Streifen schwachen Lichts ausmachen. Er starrte eine Weile dorthin und versuchte seine Augen darauf einzustellen, bis er merkte, daß es Licht war, was unter einer Tür in den Raum drang.
    Er stemmte sich in eine Sitzposition hoch. Durch die Bewegung kam seine innere Welt ins Rutschen und begann zu schmelzen wie ein Dalí-Gemälde – ihm wurde übel. Er schloß die Augen und wartete ein paar Sekunden, bis sich sein Gleichgewichtsgefühl wiederhergestellt hatte. Mit der Hand faßte er sich an die Seite seines Kopfes, woher der Schmerz kam, und stellte fest, daß das Haar von einer Flüssigkeit verklebt war. Am Geruch erkannte er, daß es Blut war. Er folgte mit den Fingern der Spur des Bluts zu einer fünf Zentimeter langen Platzwunde auf seinem Schädel und berührte sie vorsichtig. Das Blut war geronnen und die Wunde blutete nicht mehr.
    Er glaubte nicht, daß er in der Lage sein würde, zu stehen, und kroch zu dem Lichtstreifen. Der Traum vom Coyoten drang in sein Bewußtsein und verschwand wieder in einem roten Feuerball von Schmerz.
    Er fand die Türklinke, aber sie war verschlossen. Das überraschte ihn nicht. Die Anstrengung hatte ihn jedoch erschöpft. Er lehnte sich gegen die Wand und schloß die Augen. In seinem Inneren kämpfte der Instinkt, nach einem Fluchtweg zu suchen, mit dem Wunsch, sich hinzulegen und zu genesen. Seine Gedanken wurden davon unterbrochen, daß die Stimmen wieder zu vernehmen waren. Bosch konnte hören, daß sie nicht aus dem nächsten Raum kamen. Sie waren weiter weg, jedoch nah genug, um verstanden zu werden.
    »Verdammter Idiot!«
    »Also, Sie ham nix gesagt von einer Aktentasche. Sie …«
    »Aber es muß eine da gewesen sein. Gebrauch doch mal dein Hirn.«
    »Sie haben gesagt, ich soll den Mann herbringen. Ich hab’ den Mann hergebracht. Wenn Sie wollen, fahre ich zurück und suche beim Auto nach der Aktentasche. Aber Sie ham nix von …«
    »Du kannst nicht zurückfahren, du Idiot! Dort wird es jetzt von Polizisten wimmeln. Sie haben wahrscheinlich schon sein Auto und seine Aktentasche.«
    »Ich hab’ keine Aktentasche gesehn. Vielleicht hatte er keine dabei.«
    »Und vielleicht hätte ich jemand anders beauftragen sollen.«
    Bosch begriff, daß sie über ihn sprachen. Er erkannte auch Gordon Mittels Stimme. Es war der knappe und arrogante Ton des Mannes, den er auf der Party getroffen hatte. Die andere Stimme erkannte Bosch nicht. Er konnte sich aber gut denken, wem sie gehörte. Auch wenn der Mann sich im Moment unterwürfig verteidigte, so war die Brutalität in seiner schroffen Stimme doch nicht zu überhören. Wahrscheinlich war er der Mann, der ihn niedergeschlagen hatte. Und vermutlich auch der Mann, den er bei der Party mit Mittel im Haus gesehen hatte.
    Es dauerte ein paar Minuten, bis Bosch begriff, worüber sie sich stritten. Eine Aktentasche. Seine Aktentasche. Sie war nicht im Auto gewesen. Das wußte er. Dann dämmerte ihm, daß er sie in Conklins Zimmer vergessen haben mußte. Er hatte sie mit nach oben genommen, um ihm Monte Kims Foto zu zeigen und Enos Kontoauszüge. Um damit die Lügen des alten Mannes zu widerlegen. Aber der alte Mann hatte nicht gelogen. Er hatte Boschs Mutter nicht verleugnet, und das Foto und die Kontoauszüge wurden nicht gebraucht. Die Aktentasche lag am Fußende des Betts – vergessen.
    Dann dachte er über den letzten Wortwechsel nach. Mittel hatte dem anderen Mann gesagt, er könne nicht zurückfahren, weil die Polizei da wäre. Das ergab keinen Sinn. Außer, daß jemand den Überfall gesehen hatte. Vielleicht der Wachmann. Er schöpfte Hoffnung und verwarf die Möglichkeit wieder, als ihm etwas anderes einfiel. Mittel kümmerte sich um alle losen Fäden, und Conklin war einer gewesen. Bosch ließ sich gegen die Wand fallen. Er war jetzt der letzte, der Mittel Schwierigkeiten bereiten konnte. Er saß in der Stille des Raums, bis er wieder Mittels Stimme hörte.
    »Los, hol ihn. Bring ihn nach draußen.«
    So schnell er konnte und ohne einen Plan, kroch Bosch zu der Stelle zurück, wo er aufgewacht war. Dabei er rammte einen schweren Gegenstand, fuhr mit der Hand darüber und stellte fest, daß es ein Billardtisch war. Er fand schnell eine Ecke, die Tasche, und griff hinein. Seine Hand ertastete eine Billardkugel. Er überlegte hastig, wie er sie verstecken konnte. Schließlich ließ er sie in den Ärmel seiner Jacke hinunterrollen, wo sie in der

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