Der letzte Coyote
nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Bosch schaute auf den Schreibtisch und entdeckte ein offenes Buch. Er griff danach und drehte es um, weil er den Titel erkennen wollte.
»Studierst du für die Captain-Prüfung?«
Pounds zuckte zurück. Bosch sah, daß es nicht das Prüfungshandbuch war, sondern eine Anleitung zur Motivierung von Angestellten, geschrieben von einem Basketballtrainer. Bosch mußte lachen. Dann schüttelte er den Kopf.
»Pounds, du bist echt eine Type. Ich meine, wenigstens sorgst du für Unterhaltung. Das kann man nicht abstreiten.«
Pounds ergriff hastig das Buch und schob es in eine Schublade.
»Was willst du hier, Bosch? Du weißt, daß du nicht kommen solltest. Du bist suspendiert.«
»Aber du hast mich hergebeten. Erinnerst du dich?«
»Das habe ich nicht.«
»Wegen des Wagens. Du wolltest ihn zurück.«
»Du solltest ihn in der Garage abgeben. Ich habe nicht gesagt, daß du hierher kommen sollst. Also verschwinde.«
Bosch sah, wie sich Zornesröte über das Gesicht des anderen ausbreitete. Er selbst blieb gelassen und nahm das als Zeichen, daß er nicht mehr so leicht in Streß geriet. Aus der Jackentasche holte er die Autoschlüssel und legte sie vor Pounds auf den Tisch.
»Er steht vor der Tür zu den Ausnüchterungszellen. Wenn du ihn zurückhaben willst, dann hol ihn dir. Aber du kannst ihn selbst zur Inspektion in die Garage bringen. Das ist kein Job für Polizisten, das ist ein Job für Bürokraten.«
Bosch drehte sich um und hob seine Aktentasche auf. Dann öffnete er die Tür mit solcher Wucht, daß sie gegen eine der Glasscheiben krachte. Das Büro bebte, aber es zerbrach nichts. Er ging um den Schalter herum, sagte »Tut mir leid, Henry«, ohne den alten Mann eines Blickes zu würdigen, und ging dann durch den vorderen Flur zum Ausgang.
Ein paar Minuten später stand er am Straßenrand der Wilcox Avenue und wartete auf das Taxi, das er mit seinem Handy bestellt hatte. Ein grauer Caprice, fast ein Duplikat des Wagens, den er gerade abgegeben hatte, hielt vor ihm an, und er beugte sich vor, um hineinzusehen. Es war Edgar. Er grinste. Das Fenster glitt herunter.
»Kann ich dich irgendwohin fahren, einsamer Streiter?«
Bosch stieg ein.
»In der La Brea Avenue, Nähe Boulevard, ist eine Hertz-Vertretung.«
»Ja, kenn’ ich.«
Sie fuhren ein paar Minuten schweigend, dann lachte Edgar auf und schüttelte den Kopf.
»Was?«
»Nichts … Burns … Mann, ich dachte, er macht sich in die Hosen, als du bei Pounds drinnen warst. Er dachte, du würdest rauskommen und ihm den Stuhl unter dem Arsch wegreißen. Man konnte direkt Mitleid bekommen.«
»Scheiße, daran habe ich nicht gedacht. Ich hätte es tun sollen.«
Sie schwiegen wieder. Mittlerweile waren sie auf dem Sunset Boulevard und näherten sich La Brea.
»Harry, du kannst es nicht lassen, oder?«
»Anscheinend nicht.«
»Was ist mit deiner Hand passiert?«
Bosch hielt sie hoch und betrachtete den Verband.
»Ach, ich hab’ mir draufgeschlagen, als ich letzte Woche an der Veranda gearbeitet habe. Tut teuflisch weh.«
»Du solltest aufpassen, oder Pounds wird hinter dir hersein wie ein bissiger Köter.«
»Ist er schon.«
»Mann, er ist nur ein Erbsenzähler, ein Arschloch. Warum kannst du ihn nicht in Ruhe lassen? Weißt du, du …«
»Weißt du, du hörst dich allmählich so an wie die Seelenklempnerin, zu der ich gehe. Vielleicht sollte ich mich heute bei dir auf die Couch legen. Was meinst du?«
»Vielleicht bringt sie dich ja zur Vernunft.«
»Vielleicht hätte ich mir ein Taxi nehmen sollen.«
»Ich meine, du solltest dir überlegen, wer deine Freunde sind, und ihnen mal zuhören.«
»Hier ist es.«
Edgar verlangsamte das Tempo vor dem Autoverleih. Bosch stieg aus, bevor der Wagen richtig hielt.
»Harry, warte einen Moment.«
Bosch drehte sich um und sah in den Wagen.
»Was ist das für eine Sache mit Fox? Wer ist der Typ?«
»Das kann ich dir jetzt nicht sagen, Jerry. Es ist besser so.«
»Bist du sicher?«
Bosch hörte das Telefon in seiner Aktentasche läuten. Er sah erst sie an und dann Edgar.
»Danke fürs Herbringen.«
Er schloß die Wagentür.
11
K eisha Russel von der Times war am Apparat. Sie hatte im Archiv einen kurzen Artikel zu Fox’ Namen gefunden, wollte sich aber mit Bosch treffen, um ihn zu übergeben. Es war Teil ihrer Strategie, eine Beziehung zu etablieren. Er sah auf die Uhr. Die Story konnte noch warten. Er sagte, er würde sie zum Mittagessen in
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