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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nicht die Faktoren Mensch und Zeit vergessen. Die Abdrücke müssen erst von einem Scanner erfaßt und kodiert werden. Dann müssen die Kodierungen eingegeben werden. Im Moment sind wir zwölf Tage im Rückstand.«
    Er deutete auf die Wand über dem Computer. Dort hing eine Tafel mit auswechselbaren Zahlen. Wie das Schild im Büro der Polizeigewerkschaft: X Tage, seit dem letzten Tod eines Kollegen.
     
    Automatisiertes Fingerabdruck-Identifikations-System
    12 Tage Bearbeitungszeit
    Keine Ausnahmen!
     
    »Sie sehen also, es kann sich nicht einfach jeder, der hier reinkommt, vordrängen. Wenn Sie ein Anfrageformular ausfüllen, dann kann ich …«
    »Hören Sie, ich weiß, daß es Ausnahmen gibt. Besonders bei Mord. Jemand hat kürzlich Burns und Edgar geholfen. Die haben keine zwölf Tage gewartet. Ihre Abdrücke wurden sofort eingespeichert, und sie haben drei Fälle so gelöst.«
    Bosch schnippte mit den Fingern. Hirsch schaute ihn an und wandte sich dann wieder dem Computer zu.
    »Ja, es gibt Ausnahmen. Aber so was kommt von oben. Wenn Sie mit Captain LeValley sprechen, gibt sie vielleicht ihre Zustimmung. Wenn Sie …«
    »Burns und Edgar haben auch nicht mit ihr gesprochen. Jemand hat es ganz einfach so für sie erledigt.«
    »Nun, das verstieß dann aber gegen die Vorschriften. Sie müssen jemanden gekannt haben.«
    »Und ich kenne Sie, Hirsch.«
    »Warum füllen Sie nicht das Formular aus, und ich sehe …«
    »Wie lang würde es überhaupt dauern? Zehn Minuten?«
    »Nein, in Ihrem Fall länger. Diese Karte ist eine Antiquität. Veraltet. Ich müßte sie erst durch einen speziellen Scanner schicken, der die Abdrücke kodiert. Dann müßte ich es per Hand eingeben. Je nachdem wie Sie Ihre Suche einschränken, könnte es …«
    »Ich will keine Einschränkungen. Es soll mit allen Datenbanken verglichen werden.«
    »Dann könnte der Computer dreißig, vierzig Minuten brauchen.«
    Hirsch schob die Brille mit einer entschlossenen Geste hoch, als ob er damit unterstreichen wollte, daß er die Vorschriften einzuhalten gedachte.
    »Brad«, sagte Bosch, »ich habe das Problem, daß ich nicht weiß, wieviel Zeit ich für den Fall habe. Bestimmt nicht zwölf Tage. Ich arbeite im Moment daran, weil ich Zeit habe. Sowie es jedoch einen neuen Mord gibt, muß ich es fallenlassen. So läuft es nun mal. Sind Sie sicher, daß Sie jetzt nichts machen können?«
    Hirsch rührte sich nicht. Er starrte gebannt auf den blauen Bildschirm. Er erinnerte Bosch an das Waisenhaus. Wenn Schlägertypen kleinere Jungen verhöhnten, schalteten diese einfach geistig ab.
    »Was machen Sie im Moment, Hirsch? Wir könnten es gleich jetzt tun.«
    Hirsch sah ihn lange an, bevor er sprach.
    »Ich habe zu tun, Bosch. Ich kenne Sie, okay? Das ist eine interessante Story mit dem alten Fall, aber ich weiß, daß es eine Lüge ist. Sie sind vom Dienst suspendiert. So was spricht sich rum. Sie sollten nicht einmal hier sein, und ich sollte nicht mit Ihnen sprechen. Könnten Sie mich also bitte allein lassen? Ich möchte keine Probleme bekommen. Verstehen Sie? Ich will nicht, daß jemand einen falschen Eindruck bekommt.«
    Bosch sah ihn an, Hirsch hatte sich jedoch wieder dem Monitor zugewandt.
    »Okay, Hirsch, ich werde Ihnen eine wahre Geschichte erzählen. Vor …«
    »Ich will keine Geschichten mehr hören, Bosch. Warum gehen …«
    »Ich werde diese Geschichte erzählen und dann verschwinden, okay? Nur eine Geschichte.«
    »Okay, Bosch, okay. Erzählen Sie.«
    Bosch schaute ihn an und wartete darauf, mit Hirsch Blickkontakt herstellen zu können. Aber der technische Assistent starrte weiter auf den Bildschirm, als sei er sein Rettungsanker. Bosch fing trotzdem an.
    »Vor langer Zeit – ich war damals zwölf – schwamm ich in einem Schwimmbecken. Ich war unter Wasser, hatte aber meine Augen offen. Ich schaute hoch und sah durch das Wasser zum Beckenrand. Ich sah eine dunkle Gestalt. Es war schwer zu erkennen, was es wirklich war. Die Konturen verschwammen. Aber ich dachte, es sei ein Mann. Es war seltsam, daß dort oben ein Mann sein sollte. Also tauchte ich auf. Es stimmte. Es war ein Mann, der einen dunklen Anzug trug. Er streckte seinen Arm aus und ergriff mich beim Handgelenk. Ich war nur eine kleine magere Ratte. Er zog mich also ohne Mühe heraus und legte mir ein Handtuch um die Schultern. Dann führte er mich zu einem Stuhl und sagte mir … Er sagte mir, daß meine Mutter tot sei. Ermordet. Er sagte, er wisse nicht, wer es getan habe, aber

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