Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Politiker lasen Springers Kolumne, und sie hatten immense Macht, wenn es um bequeme Pöstchen, Versetzungen und Degradierungen ging. Ein Bürokrat, der von Springer an den Pranger gestellt wurde, würde zwar nicht seinen Job verlieren, aber wohl auch nicht mehr befördert werden. Mitglieder des Stadtrats konnten außerdem jederzeit die Bücher überprüfen lassen oder einem für ein paar Wochen einen Aufpasser ins Zimmer setzen. Wer schlau war, vermied es, von Springer erwähnt zu werden. Das war allen bekannt, einschließlich Mona.
    »Ja, ich kann warten«, sagte Bosch ins Telefon – und zu Mona: »Das wird ein Leckerbissen für ihn sein. Jemand versucht einen Mord aufzuklären, worauf die Angehörigen seit dreiunddreißig Jahren warten, und eine Bürokratin nuckelt in ihrem Büro an ihrem Fruchtsaft und will die Adressen von zwei Polizisten nicht rausrücken, mit denen er sprechen muß. Ich bin zwar kein Journalist, aber so würde ich es aufziehen. Er wird sich freuen. Was meinen Sie?«
    Er lächelte und beobachtete, wie ihr Gesicht die Farbe des Fruchtsaftes annahm. Es hatte funktioniert.
    »Okay, legen Sie auf«, sagte sie.
    »Was, warum?«
    »LEGEN SIE AUF! Legen Sie auf und Sie bekommen die Information.«
    Bosch klappte das Telefon zu.
    »Geben Sie mir die Namen.«
    Nachdem er ihr die Namen gegeben hatte, stand sie wütend auf und verließ wortlos das Zimmer. Sie hatte kaum Platz, um aus ihrer Ecke herauszukommen, aber sie bewegte sich mit der Präzision einer Ballerina. Das Manöver war ihr durch wiederholte Übung in Fleisch und Blut übergegangen.
    »Wie lange wird es dauern?«
    »So lange wie nötig.« Sie hatte ihren bürokratischen Befehlston wiedergefunden.
    »Nein, Mona, Sie haben zehn Minuten. Nicht mehr. Danach kommen Sie besser nicht zurück, denn dann wartet Whitney hier auf Sie.«
    Sie hielt inne und sah ihn an. Er zwinkerte ihr zu.
    Nachdem sie gegangen war, stand er auf und ging auf die andere Seite des Schreibtisches. Dann schob er ihn fünf Zentimeter zur anderen Wand und verengte dadurch den Pfad zu ihrem Stuhl.
    Nach sieben Minuten kam sie mit einem Stück Papier zurück. Bosch konnte jedoch sehen, daß es Probleme gab. Sie blickte ihn triumphierend an. Er dachte an die Frau, die angeklagt worden war, weil sie ihrem Mann den Penis abgeschnitten hatte. Vielleicht hatte sie den gleichen Gesichtsausdruck gehabt, als sie damit zur Tür hinausspazierte.
    »Nun, Detective Bosch, Sie haben ein kleines Problem.«
    »Welches?«
    Sie begann, um den Tisch herumzugehen – und rammte unvermeidlich ihr dickes Bein gegen die mit Resopal verkleidete Ecke. Es sah eher peinlich als schmerzhaft aus. Sie ruderte mit den Armen in der Luft, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, und stieß dabei ihre Plastikflasche um. Die rote Flüssigkeit ergoß sich auf die Schreibunterlage.
    »Scheiße!«
    Sie bewegte sich schnell um den Tisch herum und richtete die Plastikflasche auf. Bevor sie sich hinsetzte, betrachtete sie mißtrauisch den Schreibtisch.
    »Alles in Ordnung?« fragte Bosch. »Was für ein Problem gibt es mit den Adressen?«
    Sie ignorierte seine erste Frage, vergaß ihr Malheur und schaute Bosch lächelnd an. Dann setzte sie sich und öffnete eine Schublade, um einen Packen Servietten herauszuholen, die sie aus der Cafeteria hatte mitgehen lassen.
    »Nun, das Problem ist, daß Sie so bald nicht mit Claude Eno sprechen werden. Wenigstens bezweifle ich das.«
    »Er ist tot.«
    Sie begann die Flüssigkeit aufzuwischen.
    »Ja. Die Schecks gehen an die Witwe.«
    »Was ist mit McKittrick?«
    »Nun, McKittrick ist eine Möglichkeit. Ich habe seine Adresse hier. Er lebt in Venice.«
    »Venice? Worin besteht das Problem?«
    »Es handelt sich um Venice in Florida.«
    Sie lächelte, entzückt über sich selbst.
    »Florida«, wiederholte Bosch. Er hatte nicht gewußt, daß es ein Venice in Florida gab.
    »Das ist ein Staat am anderen Ende des Landes.«
    »Ich weiß wo es ist.«
    »Oh, und noch eins. Ich habe nur ein Postfach als Adresse. Tut mir herzlich leid.«
    »Das kann ich mir denken. Gibt es eine Telefonnummer?«
    Sie warf die nassen Servietten in den Papierkorb, der in der Ecke stand.
    »Eine Telefonnummer haben wir nicht. Versuchen Sie’s doch bei der Auskunft.«
    »Werd’ ich tun. Steht da, wann er pensioniert wurde?«
    »Danach haben Sie mich nicht gefragt.«
    »Dann geben Sie mir, was Sie haben.«
    Bosch wußte, daß er mehr herausbekommen könnte. Sie mußten irgendwo eine Telefonnummer haben. Aber er

Weitere Kostenlose Bücher