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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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der Täter hätte Fingerabdrücke zurückgelassen. Er sagte: ›Mach dir keine Sorgen, Junge, wir haben die Fingerabdrücke. Die sind Gold wert. Wir werden ihn schnappen.‹ Ich erinnere mich genau an diese Worte. ›Wir werden ihn schnappen.‹ Sie haben es jedoch nie getan. Aber jetzt werde ich es tun. Das ist meine Story, Hirsch.«
    Hirsch schaute auf die gelbe Karte hinunter, die auf der Tastatur lag.
    »Verstehen Sie bitte, das ist eine traurige Geschichte, aber ich kann es nicht tun. Tut mir leid.«
    Bosch starrte ihn einen Moment an und stand dann langsam auf.
    »Vergessen Sie nicht die Karte«, sagte Hirsch.
    Er nahm sie in die Hand und hielt sie Bosch hin.
    »Ich lasse sie hier. Sie werden tun, was Ihnen Ihre Moral gebietet, Hirsch. Das sehe ich Ihnen an.«
    »Nein, nehmen Sie die Karte. Ich kann nicht …«
    »Ich lasse sie hier.«
    Die Gewalt seiner Stimme schockte Bosch selbst, und sie schien Hirsch Angst einzujagen. Der Techniker legte die Karte wieder auf die Tastatur. Nach einigen Sekunden des Schweigens beugte sich Bosch hinunter und sprach leise.
    »Jeder will tun, was moralisch richtig ist. Man fühlt sich gut hinterher, Hirsch. Auch wenn es nicht ganz mit den Vorschriften übereinstimmt. Manchmal muß man auf sein Gewissen hören.«
    Bosch stand auf und holte seine Brieftasche sowie einen Stift heraus. Er schrieb ein paar Nummern auf eine Geschäftskarte und legte sie ebenfalls auf die Tastatur.
    »Das sind die Nummern von meinem Handy und von zu Hause. Rufen Sie nicht im Büro an. Sie wissen, daß ich nicht dasein werde. Ich warte auf Ihren Anruf, Hirsch.«
    Dann verließ er langsamen Schrittes das Labor.

16
    W ährend Bosch auf den Aufzug wartete, kam er zu der Ansicht, daß sein Versuch, Hirsch zu überreden, auf taube Ohren gefallen war. Seine äußeren Narben verbargen vermutlich tiefere innere Wunden. Es gab viele Leute wie Hirsch bei der Polizei. Er war mit einem Gesicht aufgewachsen, das ihn selbst einschüchterte. Wahrscheinlich war er der letzte, der sich über Vorschriften hinwegsetzen würde. Seine Moralvorstellungen geboten ihm, Bosch zu ignorieren – oder ihn zu melden.
    Er drückte wieder auf den Aufzugknopf und fragte sich, was er noch tun könnte. Die AFIS-Suche war ein Schuß ins Blaue, aber er wollte es trotzdem versucht haben. Eine gründliche Untersuchung ging jeder Spur nach. Er beschloß, Hirsch einen Tag in Ruhe zu lassen und es dann noch einmal zu versuchen. Wenn er keinen Erfolg hätte, würde er es bei einem anderen Labortechniker probieren. Solange, bis die Fingerabdrücke des Mörders im Computer waren.
    Der Aufzugtür ging auf, und er zwängte sich hinein. Das war eine der wenigen Sachen, auf die man sich hier verlassen konnte. Polizisten, Vorgesetzte und politischer Filz wechselten, aber die Aufzüge fuhren immer langsam und waren immer voll, wenn man einstieg. Bosch drückte auf den Knopf für das Untergeschoß und die Kabine begann sich gemächlich nach unten zu bewegen. Während jeder mit leerem Blick auf die Etagennummern über der Tür starrte, schaute Bosch auf seine Aktentasche. Niemand in dem beengten Raum sprach. Als der Aufzug beim nächsten Stop zum Halten kam, hörte Bosch jedoch seinen Vornamen. Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite – nicht sicher, ob er oder jemand anders gemeint war.
    Sein Blick fiel auf Assistant Chief Irvin S. Irving, der hinten im Aufzug stand. Sie nickten sich zu, und die Tür öffnete sich zum Erdgeschoß. Bosch fragte sich, ob Irving gesehen hatte, daß er eigentlich den Knopf fürs Untergeschoß gedrückt hatte. Wenn man suspendiert war, gab es keinen Grund, dort hinzufahren.
    Bosch schätzte, daß der Aufzug zu voll gewesen war und Irving es nicht gesehen hatte. Er stieg aus, Irving folgte ihm und holte ihn in der Eingangshalle ein.
    »Chief.«
    »Was führt Sie hierher, Harry?«
    Die Frage klang beiläufig, trotzdem war Irvings Interesse offenkundig. Sie gingen auf den Ausgang zu, und Bosch schusterte schnell eine Geschichte zusammen.
    »Ich mußte sowieso nach Chinatown, also bin ich zur Gehaltsabteilung, damit sie mir meinen Gehaltsscheck nach Hause schicken statt nach Hollywood. Ich weiß ja nicht, wann ich zurückkomme.«
    Irving nickte, und Bosch war sich sicher, daß er ihm glaubte. Er war ungefähr so groß wie Bosch, fiel aber mit seinem glattrasierten Schädel auf. Der Glatze und seinem Ruf, keine korrupten Cops bei der Polizei zu dulden, verdankte er den Spitznamen Meister Proper.
    »Sie sind heute in Chinatown?

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