Der letzte Coyote
– für ihn ein schockierender Betrag. Er bezahlte mit seiner Kreditkarte, damit er es abstottern konnte. Außerdem reservierte er einen Wagen am Flughafen in Tampa.
Nachdem er das erledigt hatte, trat er wieder auf die Veranda und überlegte, wie er sein nächstes Projekt angehen sollte:
Er brauchte eine Polizeimarke.
Bosch blieb lange im Liegestuhl sitzen und wägte ab, ob er sie wirklich für sein Vorhaben brauchte oder nur, um sich sicher zu fühlen. Er wußte, wie nackt und verwundbar er sich in dieser Woche ohne Waffe und Dienstmarke gefühlt hatte. Sie waren quasi Körperteile, mit denen er seit zwanzig Jahren verwachsen war. Er hatte es jedoch vermieden, seine Zweitwaffe zu tragen, die im Wandschrank neben der Vordertür lag. Das hatte er gekonnt. Aber mit der Polizeimarke war es anders. Mehr noch als der Revolver war sie ein Symbol seiner Identität. Sie öffnete besser als jeder Schlüssel Türen, verlieh ihm mehr Autorität als Worte und Waffen. Er kam zu dem Schluß, daß sie notwendig war. Wenn er nach Florida ging, um McKittrick etwas vorzugaukeln, mußte es offiziell aussehen. Dazu brauchte er die Dienstmarke.
Wahrscheinlich lag sie in einer Schublade im Büro von Assistant Chief Irvin S. Irving. Es war unmöglich, sie unbemerkt herauszunehmen. Aber er wußte, wo sich eine andere befand, die den gleichen Zweck erfüllen würde.
Bosch sah auf die Uhr. Es war Viertel nach neun, noch fünfundvierzig Minuten bis zur täglichen Lagebesprechung im Hollywood-Revier. Er hatte noch viel Zeit.
20
U m fünf nach zehn fuhr Bosch auf den Parkplatz hinter dem Revier. Er war sicher, daß sich Pounds, der in allem pünktlich war, schon mit den Berichtsblättern der letzten Nacht durch den vorderen Flur zum Büro des Captains begeben hatte. An der Besprechung, die jeden Morgen stattfand, nahmen der Commanding Officer, der Captain des Streifendienstes, der wachhabende Lieutenant und Pounds als Detective Commander teil. Es war eine Routineangelegenheit, die nie mehr als zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Die leitenden Offiziere des Reviers tranken Kaffee und sprachen über die neuen Berichte, über momentane Probleme, Beschwerden und besondere Ermittlungen.
Bosch betrat das Gebäude durch die Hintertür neben den Ausnüchterungszellen und ging dann nach oben zum Detektivbüro. Anscheinend war an diesem Morgen schon viel Arbeit geleistet worden. Vier Männer waren mit Handschellen an die Bänke im Flur gekettet. Ein Junkie bat ihn um eine Zigarette. Bosch hatte ihn schon öfter auf dem Revier gesehen und benutzte ihn manchmal als Informanten – auch wenn er als Quelle nicht sehr verläßlich war. Es war verboten, in einem städtischen Gebäude zu rauchen, aber Bosch zündete trotzdem eine an und steckte sie dem Mann in den Mund, da seine vom Heroinspritzen zerstochenen Arme hinter seinem Rücken gefesselt waren.
»Was ist es diesmal, Harley?« fragte Bosch.
»Scheiße. Wenn ein Typ seine Garage offen läßt, dann ist das doch wie eine Einladung reinzugehen, oder nicht?«
»Erzähl das dem Richter.«
Als Bosch weiterging, rief einer der anderen Inhaftierten ihm nach:
»Und was ist mit mir, Mann? Ich brauch’ auch ’ne Kippe.«
»Hab’ keine mehr«, sagte Bosch.
»Fuck you.«
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.«
Er betrat das Büro durch die Hintertür. Als erstes versicherte sich Bosch, daß Pounds’ Glaskasten leer war. Er war also bei der Besprechung. Dann schaute er nach vorne zur Garderobe und sah, daß er Glück hatte. Während er auf dem Gang zwischen den Schreibtischen nach vorne ging, nickte er einigen der anderen Detectives zu.
Edgar saß am Mord-Tisch. Seinem neuen Partner gegenüber, der auf Boschs altem Stuhl hockte. Edgar hörte, wie jemand »Hallo, Harry« sagte, und drehte sich um.
»Harry, was is los?«
»Hallo. Ich komm’ nur vorbei, um ein paar Sachen abzuholen. Puh … ist das heiß draußen.«
Bosch ging nach vorne, wo Henry vom Schnarchdezernat hinter dem Schalter saß. Er war mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt, und Bosch sah, daß das Blatt von Bleistiftspuren verschmiert war.
»Henry, wie geht’s? Kommst du voran?«
»Detective Bosch.«
Bosch zog sein Sportjackett aus und hängte es an einen Haken neben einer grau gemusterten Jacke. Sie hing auf einem Bügel, und Bosch wußte, daß sie Pounds gehörte. Beim Aufhängen drehte er Henry und dem Raum den Rücken zu und fuhr eilig mit der linken Hand in die Innentasche von Pounds’ Jacke. Dann zog er das Etui mit
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