Der letzte Coyote
Mo …«
Bosch drehte sich um und schlug ihm auf die Kinnlade. Der Surfer fiel rückwärts auf die Auffahrt. Er stöhnte und rollte sich auf die Seite. Dabei hielt er seinen Unterkiefer mit beiden Händen fest. Bosch war sich sicher, daß der Kiefer ausgerenkt oder sogar gebrochen war. Er schüttelte den Schmerz aus seiner Hand, als der Mustang quietschend zum Stehen kam.
Der Mann in der roten Weste ließ sich Zeit beim Aussteigen. Bosch zog ihn von der geöffneten Tür weg und sprang hinein. Als er hinter dem Steuer saß, kam bereits Mittels Gorilla die Auffahrt herunter. Als er den Surfer am Boden liegen sah, begann er zu rennen. Er hatte jedoch Schwierigkeiten, auf der steilen Auffahrt das Gleichgewicht zu halten. Bosch sah, wie seine mächtigen Beine den Hosenstoff dehnten, und plötzlich rutschte er aus und fiel. Zwei der Parkwächter wollten ihm helfen, aber er stieß sie wütend weg.
Bosch trat heftig aufs Gaspedal und raste davon. Er fuhr zum Mulholland Drive hinauf und dann Richtung Osten nach Hause. Adrenalin schoß durch seine Adern. Er war entkommen, und es war offensichtlich, daß er einen Nerv getroffen hatte. Mittel sollte erst einmal darüber nachdenken und schwitzen. Dann schrie er laut auf, obwohl es niemand außer ihm hören konnte.
»Das hat dich ganz schön erschreckt, nicht wahr, du Wichser!«
19
W ieder träumte er vom Coyoten. Das Tier lief über einen Bergpfad, wo es keine Häuser, keine Autos, keine Menschen gab. Es bewegte sich schnell durch die Dunkelheit, als ob es fliehen wollte. Der Pfad und das Land gehörten jedoch zu seinem Reich. Er kannte es und wußte, er würde entkommen. Wovor er floh, war nicht klar. Aber es war da, hinter ihm in der Dunkelheit. Und der Coyote wußte instinktiv, daß er flüchten mußte.
Das Läuten des Telefons drang wie ein Messer in seinen Traum. Bosch zog das Kissen vom Kopf und rollte nach rechts. Seine Augen wurden sofort vom Morgenlicht geblendet. Die Jalousien waren nicht geschlossen. Er griff nach dem Telefon auf dem Fußboden.
»Moment«, sagte er.
Er stellte das Telefon aufs Bett und rieb sich die Augen mit den Händen. Er blinzelte zur Uhr. Es war zehn nach sieben. Er hustete und räusperte sich. Dann griff er wieder nach dem Hörer.
»Ja?«
»Detective Bosch?«
»Ja.«
»Brad Hirsch. Entschuldigen Sie, daß ich so früh anrufe.«
Bosch mußte einen Moment nachdenken. Brad Hirsch? Er hatte keine Ahnung, wer das war.
»Macht nichts«, sagte er, während er weiter sein Gedächtnis nach dem Namen durchforschte.
Schweigen folgte.
»Ich bin der … Fingerabdrücke. Erinnern Sie sich? Sie …«
»Hirsch? Natürlich Hirsch! Ich erinnere mich. Was ist los?«
»Ich wollte Ihnen sagen, daß ich die AFIS-Suche für Sie durchgeführt habe. Ich habe heute früh angefangen und es zusammen mit einem Auftrag fürs Devonshire-Revier gemacht. Niemand wird etwas merken.«
Bosch stellte seine Füße auf den Boden, öffnete eine Schublade im Nachttisch und nahm einen Block und einen Bleistift heraus. Er sah, daß der Block vom Surf-and-Sand-Hotel in Laguna Beach war. Voriges Jahr hatte er dort ein paar Tage mit Sylvia verbracht.
»Sie haben’s durch den Computer laufen lassen? Was haben Sie bekommen?«
»Nun, das ist es ja. Es tut mir leid, aber es kam nichts raus dabei.«
Bosch warf den Block in die offene Schublade und ließ sich aufs Bett zurückfallen.
»Keine Treffer?«
»Nun, der Computer fand zwei mögliche Kandidaten. Ich habe sie dann visuell verglichen. Sie stimmten nicht überein. Es tut mir leid. Ich weiß, dieser Fall bedeutet …«
Er brach ab.
»Sie haben es mit allen Datenbanken verglichen?«
»Mit jeder einzelnen im Netzwerk.«
»Ich habe eine Frage. Schließen diese Datenbanken auch Angestellte der Staatsanwaltschaft und der Polizei ein?«
Schweigen. Hirsch überlegte wahrscheinlich, was die Frage bedeuten könnte.
»Sind Sie noch da, Hirsch?«
»Ja. Die Antwort ist ja.«
»Wie weit reichen sie zurück? Sie wissen, was ich meine. Seit wann haben die Datenbanken Abdrücke gespeichert?«
»Nun, jede anders. Die Datenbank der Polizei reicht weit zurück. Wir haben wahrscheinlich die Abdrücke von jedem, der hier seit dem Zweiten Weltkrieg gearbeitet hat.«
Das entlastete also Irving und alle anderen Cops. Aber das störte ihn nicht. Er hatte jemand anders im Visier.
»Wie steht es mit der Staatsanwaltschaft?«
»Bei der Staatsanwaltschaft sieht es anders aus«, sagte Hirsch. »Ich glaube, sie haben die Fingerabdrücke
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